Verfahrensgang

AG Kiel (Entscheidung vom 22.09.2009)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Der Verurteilte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens sowie die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil des fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Einwirkung eines berauschenden Mittels (THC) gemäß § 24 a Abs. 2, Abs. 3 StVG schuldig gesprochen und eine Geldbuße von 250,00 € sowie ein Fahrverbot von 1 Monat verhängt.

Nach den Feststellungen des Urteils führte der Betroffene am Freitag, den 7. November 2008 um 11:35 Uhr einen Lkw im Kieler Stadtgebiet. Bei einer allgemeinen, anlassunabhängigen Verkehrskontrolle stellten die Polizeibeamten E. und K., so die in den Urteilsgründe wiedergegebene Aussage der Zeugin E., deutlich gerötete, glasige und wässrige Augen bei dem Betroffenen fest. Ferner habe er leicht benommen und zittrig gewirkt. Daneben habe sich eine auffällige Schweißbildung auf seiner Stirn gezeigt. Nachdem ein freiwilliger Atemalkoholtest eine Atemalkoholkonzentration von 0,0 ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X ergeben habe, ordnete die Polizeibeamtin E. die Entnahme einer Blutprobe an, die auf dem Polizeirevier durchgeführt wurde. Die Zeugin habe sich dazu entschieden, so wird ausgeführt, weil sie in Anbetracht der deutlichen Anzeichen für einen BTM-Einfluss - bei unsicherem Grad der Intoxikation - davon ausgegangen sei, es müsse sofort gehandelt werden, um Beweismittel für eine mögliche Straftat zu sichern. Der Polizeibeamtin war der Richtervorbehalt des § 81 a StPO bekannt. Die Beamtin rief noch aus dem Streifenwagen den Arzt Dr. R. an, der zur Blutprobenentnahme auf der Dienststelle erschien und dem Betroffenen um 12:13 Uhr eine Blutprobe entnahm. Die Untersuchung ergab einen THC-Gehalt von 1,89 ng/ml.

Das Amtsgericht hat das Ergebnis des rechtsmedizinischen Gutachtens über die Untersuchung der Blutprobe für verwertbar erachtet, da nach den deutlichen Hinweisen auf eine Intoxikation des Betroffenen jede weitere Verzögerung der Maßnahme die Gefahr mit sich gebracht hätte, dass durch den zwangsläufig stattfindenden Abbau der Intoxikation die Verschlechterung bzw. der Verlust der für eine Ahndung der hier im Anfangsverdacht begründeten Straftat (§ 316 StGB) erforderlichen Beweismittel eingetreten wäre.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene und beanstandet mit der Sachrüge und einer ausgeführten Verfahrensrüge die Verwertung des Ergebnisses der Blutprobenuntersuchung.

Durch Beschluss vom 22. Dezember 2009 hat der zuständige Einzelrichter die Sache zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§ 80 a Abs. 3 OWiG).

II. Die in zulässiger Weise angebrachte und begründete Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zum Freispruch des Betroffenen.

Die Verfahrensrüge enthält alle erforderlichen Angaben über die den behaupteten Mangel begründenden Tatsachen (§ 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 345 Abs. 2 StPO), insbesondere führt sie aus, dass der Betroffene nicht in die Blutentnahme eingewilligt oder dieser zugestimmt habe.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg, weil das Amtsgericht das Ergebnis der Blutprobenuntersuchung zu Unrecht verwertet hat.

1. Zu Recht rügt der Betroffene einen Verstoß gegen § 81 a Abs. 2 StPO. Danach steht die Anordnung einer Entnahme von Blutproben nach § 81 a Abs. 1 StPO grundsätzlich dem Richter zu. Nur bei Gefahr im Verzug, also der Gefährdung des Untersuchungserfolges durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung einhergehenden Verzögerung, besteht auch eine Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft und - nachrangig - ihrer Ermittlungspersonen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher regelmäßig versuchen, die Anordnung des zuständigen Richters einzuholen, bevor sie selbst die Blutentnahme anordnen. Die Gefährdung des Untersuchungserfolgs muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist (vgl. hierzu BVerfG, NJW 2007, 1345 f.; OLG Dresden, NJW 2009, 2149 ff.; OLG Bamberg, NJW 2009, 2146 ff., OLG Celle, Beschluss vom 6.8.2009 - 32 Ss 94/09 zitiert nach juris - ; I. Strafsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts, Urteil vom 26. Oktober 2009 (1 Ss OWi 92/09 (120/09)). Dabei verbietet sich eine generalisierende Betrachtungsweise dahingehend, dass - ohne Berücksichtigung des Schutzzweckes des Richtervorbehalts im konkreten Einzelfall - von einer Gefährdung des Untersuchungserfolges i.S.d. § 81 a Abs. 2 StPO bei Taten unter Drogen- oder Alkoholeinfluss von vorneherein ausgegangen wird.

So kann zum einen die Gefährdung des Untersuchungserfolges nicht allein mit dem abstrakten Hinweis begründet werden, eine richterliche Entscheidung sei gewöhnlich zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nicht zu erlang...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge