Leitsatz (amtlich)
1.
Der Tatrichter bleibt auch in den Fällen des § 24 a StVG aufgrund des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes verpflichtet, sich mit möglichen Folgen eines Fahrverbots für den Betroffenen auseinanderzusetzen, wenn dieser einen durch das Fahrverbot drohenden Verlust seiner wirtschaftlichen Existenz vorgetragen hat.
2.
Ein Absehen vom gesetzlichen Regelfahrverbot nach § 25 I 2 StVG kann nur in Härtefällen ganz außergewöhnlicher Art in Betracht kommen oder wenn wegen besonderer Umstände das Tatgeschehen ausnahmsweise aus dem Rahmen einer typischen Ordnungswidrigkeit nach § 24 a I StVG derart herausfällt, dass die Verhängung des Regelfahrverbots als offensichtlich unpassend anzusehen wäre (Anschluss an BGHSt 38,125/134; OLG Saarbrücken VRS 102, 458 ff. sowie OLG Bamberg, Beschluss vom 11.03.2005 - 2 Ss OWi 236/05).
2.
Angaben eines Betroffenen, es drohe bei Verhängung eines Fahrverbots der Existenzverlust, dürfen nicht ungeprüft übernommen oder ohne hinreichende Ausschöpfung sonstiger Beweismittel nur einer an der Oberfläche verbleibenden Plausibilitätsprüfung unterzogen werden.
Tatbestand
Zum Sachverhalt:
Das AG hat den als Berufskraftfahrer tätigen Betr. wegen einer am 26.06.2007 begangenen fahrlässigen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeugs mit einer Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,25 mg/l oder mehr bzw. einer zu einer solchen AAK führenden Alkoholmenge im Körper gemäß § 24 a I, III StVG zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt; von dem im Bußgeldbescheid neben einer (Regel-) Geldbuße von 250 Euro angeordneten Fahrverbot von einem Monat nach Maßgabe des § 25 IIa StVG hat es demgegenüber unter gleichzeitiger Verdoppelung des als Regelsatz vorgesehenen Bußgeldes von 250 Euro (§ 4 IV BKatV) abgesehen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der StA führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an das AG.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 79 I 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige, ausweislich der Rechtsmittelbegründung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der StA erweist sich - zumindest vorläufig - als erfolgreich.
1.
Zwar hat das AG nicht verkannt, dass ein Absehen von dem gesetzlich angeordneten Regelfahrverbot nach §§ 24 a I, III, 25 I 2 StVG i.V.m. § 4 III BKatV nur in Härtefällen ganz außergewöhnlicher in Betracht kommen kann oder wenn wegen - hier nicht gegebener - besonderer Umstände äußerer oder innerer Art das Tatgeschehen ausnahmsweise aus dem Rahmen einer typischen Ordnungswidrigkeit nach § 24 a I StVG derart herausfällt, dass die Verhängung des Regelfahrverbots als offensichtlich unpassend anzusehen wäre (BGHSt 38,125/134; OLG Saarbrücken VRS 102, 458 ff. sowie schon OLG Bamberg, Beschluss vom 11.03.2005 - 2 Ss OWi 236/05; vgl. auch Hentschel Straßenverkehrsrecht 39. Aufl. § 25 StVG Rn. 18 m.w.N.). Denn anders als bei den Katalogtaten nach § 4 I und II BKatV, in denen ein Fahrverbot lediglich in der Regel "in Betracht" kommt, ist bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 a StVG gemäß § 25 I 2 StVG i.V.m. § 4 III BKatV in der Regel ein Fahrverbot zu verhängen. Den Gerichten ist deshalb in den Fällen des § 24 a StVG bei der Entscheidung darüber, ob von einem Fahrverbot im Einzelfall ausnahmsweise abgesehen werden kann, ein geringerer Ermessensspielraum eingeräumt. Angesichts des höheren Unrechtsgehalts und der Gefährlichkeit einer derartigen Ordnungswidrigkeit versteht sich die grundsätzliche Angemessenheit eines Fahrverbots regelmäßig von selbst (st.Rspr. des Senats, vgl. zuletzt z.B. Beschluss vom 12.02.2008 - 3 Ss OWi 1776/07).
2.
Mit dieser Maßgabe rechtfertigen jedenfalls die bisherigen Feststellungen des AG keine Ausnahme von dem verwirkten Regelfahrverbot:
a)
Zwar hat sich das AG zu Recht mit den persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Folgen eines Fahrverbots für den als angestellter Berufskraftfahrer einer Bäckerei tätigen Betr. und seine Familie, darunter zwei minderjährigen Kindern, auseinandergesetzt. Denn der Tatrichter bleibt auch in den Fällen des § 24 a StVG verpflichtet, sich mit den möglichen Folgen eines Fahrverbots für den Betr. auseinanderzusetzen; die Befassung mit dieser Frage gebot vorliegend schon das mit Verfassungsrang ausgestattete rechtsstaatliche Übermaßverbot, nachdem der Betr. eine von einem Fahrverbot ausgehende Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz vorgetragen hat.
b)
Es entspricht andererseits ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung, dass Angaben eines Betr., es drohe bei Verhängung eines Fahrverbots der Existenzverlust, nicht ungeprüft übernommen werden dürfen. Vielmehr ist ein derartiger Vortrag vom Tatrichter kritisch zu hinterfragen, um das missbräuchliche Behaupten eines solchen Ausnahmefalles auszuschließen. Zugleich wird das Rechtsbeschwerdegericht nur so in die Lage versetzt, die Rechtsanwendung - wenn auch eingeschränkt - nachzuprüfen (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 14.12.2005 - 3 Ss OWi 1396/05 = ZfSch 2006, 412 ff.; vom 11.04.2006 - 3 Ss OWi 354/06 = ZfSch 2006, 533...