Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Absehen vom Regelfahrverbot wegen geringfügiger Überschreitung des Alkoholgrenzwertes
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Absehen vom gesetzlichen Regelfahrverbot nach § 25 I 2 StVG kommt unbeschadet der Gültigkeit des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes nur in Härtefällen ganz außergewöhnlicher Art in Betracht oder wenn wegen besonderer Umstände das Tatgeschehen ausnahmsweise aus dem Rahmen einer typischen Ordnungswidrigkeit nach § 24 a Abs. 1 StVG derart herausfällt, dass die Verhängung des Regelfahrverbots als offensichtlich unpassend anzusehen wäre (Festhaltung an OLG Bamberg, Beschluss vom 20.08.2008 - 3 Ss OWi 966/08 = DAR 2009, 39 f. = BA 45 [2008], 394 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 43).
2. Eine Ausnahme von einem nach §§ 24 a I und III, 25 I 2 StVG i.V.m. § 4 III BKatV verwirkten Regelfahrverbot kann nicht damit begründet werden, dass die in § 24 a I StVG genannten Grenzwerte für die bußgeldbewehrte Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration nur geringfügig überschritten wurden.
Normenkette
StVG § 24a Abs. 1, 3, § 25 Abs. 1, 2a S. 1; BKatV § 4 Abs. 3-4; StPO § 267 Abs. 3; OWiG § 71 Abs. 1; StVG § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
Tatbestand
Das AG hat den als selbständiger Messebauer sowie in den Sommermonaten bzw. während messefreier Zeiten im Innen- und Trockenbau jeweils ohne angestellte Mitarbeiter tätigen Betr. wegen einer im November 2011 als Führer eines Pkw begangenen fahrlässigen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kfz mit einer Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,25 mg/l oder mehr bzw. einer zu einer solchen AAK führenden Alkoholmenge im Körper gemäß § 24 a I mit III StVG zu einer Geldbuße von 1.000 Euro verurteilt. Von dem im Bußgeldbescheid neben einer Geldbuße von 500 Euro angeordneten Fahrverbot von 1 Monat nach Maßgabe des § 25 IIa StVG hat das AG demgegenüber unter gleichzeitiger Verdoppelung des als Regelsatz vorgesehenen Bußgeldes von 500 Euro (§ 4 IV BKatV) abgesehen. Mit ihrer aufgrund der Einspruchsbeschränkung des Betr. nur noch den Rechtsfolgenausspruch betreffenden Rechtsbeschwerde rügt die StA die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung an das AG.
Entscheidungsgründe
I.
Die gemäß § 79 I Satz 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1.
Zwar hat das AG im Grundsatz nicht verkannt ("ausnahmsweise"), dass ein Absehen von dem gesetzlich angeordneten Regelfahrverbot nach §§ 24 a I, III, 25 I 2 StVG i.V.m. § 4 III BKatV nur in Härtefällen ganz außergewöhnlicher Art in Betracht kommen kann oder wenn wegen - hier nicht gegebener - besonderer Umstände äußerer oder innerer Art das Tatgeschehen ausnahmsweise aus dem Rahmen einer typischen Ordnungswidrigkeit nach § 24 a I StVG derart herausfällt, dass die Verhängung des Regelfahrverbots als offensichtlich unpassend anzusehen wäre (BGHSt 38,125/134; OLG Saarbrücken VRS 102, 458 ff. sowie schon OLG Bamberg, Beschlüsse vom 11.03.2005 - 2 Ss OWi 236/05 und vom 20.08.2008 - 3 Ss OWi 966/08 = DAR 2009, 39 f. = BA 45 [2008], 394 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 43; vgl. im Übrigen eingehend Burhoff/Deutscher, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., Rn. 2445 ff., insbes. Rn. 2448 ff. sowie Rn. 917 ff. m.w.N.). Denn anders als bei den Katalogtaten nach § 4 I und II BKatV, in denen ein Fahrverbot lediglich in der Regel "in Betracht" kommt, ist bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 a StVG gemäß § 25 I 2 StVG i.V.m. § 4 III BKatV in der Regel ein Fahrverbot zu verhängen. Den Gerichten ist deshalb in den Fällen des § 24 a StVG bei der Entscheidung darüber, ob von einem Fahrverbot im Einzelfall ausnahmsweise abgesehen werden kann, ein geringerer Ermessensspielraum eingeräumt. Angesichts des höheren Unrechtsgehalts und der Gefährlichkeit einer derartigen Ordnungswidrigkeit versteht sich vielmehr die grundsätzliche Angemessenheit eines Fahrverbots regelmäßig von selbst (st.Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 12.02.2008 - 3 Ss OWi 1776/07). Schon daraus folgt, dass für das hier vom AG zur Begründung des Fahrverbotswegfalls angeführte Argument, wonach "insbesondere [...] die AAK nur geringfügig über dem Grenzwert" liege oder gar - wie die Verteidigung im Rahmen ihrer Stellungnahme zur Rechtsbeschwerdebegründung der StA meint - angesichts der festgestellten AAK von 0,27 mg/l von einer "geradezu an der Grenze zur Nüchternheit" liegenden AAK auszugehen sei, von vornherein kein Raum ist (Burhoff/Deutscher Rn. 2452 f.).
2.
Unabhängig hiervon rechtfertigen aber auch die übrigen Feststellungen des AG keine Ausnahme von dem verwirkten gesetzlichen Regelfahrverbot:
a)
Zwar hat sich das AG zu Recht mit den persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Folgen eines Fahrverbots für den Betr. auseinandergesetzt. Denn der Tatrichter bleibt auch in den Fällen des § 24 a StVG verpflichtet, sich mit den möglichen Folgen eines Fahrverbots für den Betr. zu befassen; die Beschäftigung mit dieser Frage gebot vorliegend schon das mit Verf...