Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Verwertungsverbot wegen polizeilich angeordneter Blutentnahme bei Fehlen eines richterlichen Bereitschaftsdienstes im Anordnungszeitpunkt
Leitsatz (amtlich)
Der Verwertung eines Sachverständigengutachtens über die Blutalkoholkonzentration des Betroffenen steht nicht entgegen, wenn im Zeitpunkt der polizeilich angeordneten Blutentnahme wegen Gefährdung des Untersuchungserfolges ein Ermittlungsrichter schon deshalb unerreichbar ist, weil in dem betreffenden Bundesland (hier: Bayern) ein richterlicher Bereitschaftsdienst lediglich im Zeitraum zwischen 6.00 Uhr und 21.00 Uhr eingerichtet ist.
Normenkette
StPO § 81a
Tatbestand
Das AG hat den Betr. wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit nach § 24 a I, III StVG zu einer Geldbuße verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot verhängt. Nach den Feststellungen wurde der Betr. am 05.02.2009 (Donnerstag) um 23.50 Uhr einer Polizeikontrolle unterzogen, wobei Alkoholgeruch festgestellt wurde. Ein freiwilliger Alkoholtest ergab eine Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,45 mg/l. Weil der Betr. wegen Atemwegsproblemen zur Durchführung einer AAK-Messung am Messgerät ,Dräger Alcotest Evidential 7110' nicht in der Lage war, wurde kurz darauf von dem Polizeibeamten die Blutentnahme angeordnet, welche eine Blutalkoholkonzentration von 0,91 Promille ergab. Ein Versuch des Beamten, einen Staatsanwalt oder Bereitschaftsrichter zu erreichen, erfolgte nicht, da diese Anordnungen immer von der Polizei getroffen wurden. Auch eine Dokumentation, warum Gefahr im Verzug vorlag, unterblieb. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde des Betr. blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betr. ergeben (§ 349 II StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG). Ergänzend zu der im Ergebnis zutreffenden Stellungnahme der GenStA bemerkt der Senat:
Das Sachverständigengutachten über die Blutalkoholkonzentration (BAK) des Betr. durfte vorliegend verwertet werden. Es entspricht zwar der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, dass bei Vorliegen eines Richtervorbehaltes - auch wenn dieser wie in § 81 a II StPO nur einfachgesetzlicher Natur ist - Polizei und Staatsanwaltschaft die Regelzuständigkeit des Ermittlungsrichters nicht unterlaufen dürfen. Deshalb muss in aller Regel der Versuch unternommen werden, einen Ermittlungsrichter zu erreichen, wobei diese Bemühungen nicht unter Hinweis darauf unterbleiben dürfen, dass eine richterliche Entscheidung zur maßgeblichen Zeit gewöhnlicherweise nicht mehr zu erlangen ist (vgl. BVerfG, Beschluss v. 04.02.2005 - 2 BvR 308/04 = BVerfGK 5, 74 ff. = StraFo 2005, 156 ff. = NJW 2005, 1637 ff. = NStZ 2005, 337 ff. = DAR 2005, 324 ff. = wistra 2005, 219 f. = StV 2005, 483 ff.; ferner BVerfG, Beschluss v. 12.02.2007 - 2 BvR 273/06 = BverfGK 10, 270 ff. = NJW 2007, 1345 f. = StV 2007, 281 f. = NZV 2007, 581 ff. = VRR 2007, 150 f. = StRR 2007, 103 f.). Allerdings erfolgte in den vorgenannten, vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen die Anordnung der Durchsuchung um 19.00 Uhr, nachdem die Polizeibeamten bereits um 17.00 Uhr auf den Beschuldigten aufmerksam wurden, bzw. die Anordnung der Blutentnahme um 9.00 Uhr.
In Bayern besteht ein richterlicher Bereitschaftsdienst aufgrund der Anordnung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 10.12.2007 (Gz.: 2043-IV-10673/07) lediglich zwischen 6.00 Uhr und 21.00 Uhr. Dies ist auch den Ermittlungsbehörden bekannt. Es ist daher ausgeschlossen, gegen Mitternacht einen Ermittlungsrichter zu erreichen. Von daher durfte - entgegen der Auffassung des AG - der Polizeibeamte wegen Vorliegens von Gefahr in Verzug die Blutentnahme anordnen, da bis zur Erreichbarkeit eines Richters am nächsten Morgen um 6.00 Uhr eine Gefährdung des Untersuchungserfolges (§ 81 a II StPO) auf der Hand lag.
Ein Verwertungsverbot besteht auch nicht deshalb, weil der Polizeibeamte die erforderliche Dokumentation unterlassen hat (vgl. hierzu OLG Bamberg, Beschluss v. 19.03.2009 - 2 Ss 15/09 = DAR 2009, 278 ff. = Blutalkohol 46, 217 ff. = ZfS 2009, 349 ff. = NJW 2009, 2146 ff. = OLGSt StPO § 81a Nr. 8 = VerkMitt. 2009, Nr. 77 = VRR 2009, 190 f.). Die Ermittlungsperson, die unter Annahme von Gefahr in Verzug gemäß § 81 a II StPO eine Blutentnahme anordnet, ist verpflichtet, die hierfür maßgeblichen Gründe schriftlich zu dokumentieren. Das Gebot effektiven Rechtschutzes verlangt, dass die anordnende Stelle ihre Entscheidung mit den maßgeblichen Gründen schriftlich niederlegt, um so eine nachträgliche gerichtliche Überprüfung zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 103, 142, 156 ff. = NJW 2001, 1121 ff. = StV 2001, 207 ff. = StraFo 2001, 154 ff.). Diese Dokumentation ist vorliegend nicht vorgenommen worden. Bei der Frage, ob ein Beweisverwertungsverbot vorliegt, ist die fehlende Dokumentation aber nur eines von mehreren Kriterien, die bei der erforderlichen Abwägung Beachtung finden können. Die fehlende Dokumentation für sich allein führt g...