Entscheidungsstichwort (Thema)
Nebenklageanschluss des minderjährigen Kindes im Strafverfahren gegen einen sorgeberechtigten Elternteil bei gemeinsamer elterlicher Sorge
Leitsatz (amtlich)
1. Im Einzelfall können nicht nur hinsichtlich des wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des Kindes angeklagten sorgeberechtigten Elternteils, sondern auch bezüglich des mitsorgeberechtigten anderen Elternteils wegen erheblichen Interessengegensatzes die Voraussetzungen des § 1789 Abs. 2 S. 4 BGB gegeben sein (im Anschluss an und in Ergänzung zu Senat, 16.03.2020 - 2 UF 27/20).
2. Dies kann etwa vorliegen, wenn der angeklagte Kindsvater erstinstanzlich freigesprochen wurde, das mit dem Tatvorwurf konfrontierte jugendliche Kind in einem eventuellen Berufungsverfahren Angaben machen und mit dem angeklagten Kindsvater Umgang haben will und ein Nebenklageinteresse selbst nicht bekundet, die Kindsmutter aber im Strafverfahren umfangreich zur Fehlerhaftigkeit des freisprechenden Urteils und der Erforderlichkeit der Berufungseinlegung vorträgt und die Durchführung des Berufungsverfahrens eine erhebliche Belastung des Kindes durch eine dann erforderliche Begutachtung desselben erwarten lässt, was der Kindsmutter bewusst ist.
Normenkette
BGB § 1629 Abs. 2 S. 3, § 1789 Abs. 2 S. 4, § 1809
Tenor
1. Die Beschwerde der Kindsmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - ... vom 27.08.2024, Az. ..., wird zurückgewiesen.
2. Die Kindsmutter trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde findet nicht statt.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Vertretungsbefugnis der Kindsmutter für die Entscheidung des 14-jährigen Kindes K, ob es sich dem gegen seinen Vater geführten Strafverfahren als Nebenklägerin anschließt.
Der Pflegling K ist das gemeinsame Kind der Beteiligten M und V, denen die elterliche Sorge für das Kind ursprünglich vollumfänglich gemeinsam zustand.
Die Staatsanwaltschaft ... hat mit Anklageschrift vom ...2023 Anklage gegen den Kindsvater wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des Kindes K erhoben. Dem Verfahren liegt ein Tatvorwurf aus dem Zeitraum ... 2021 bis ... 2022 zugrunde. Mit Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - ... vom ... 2024 ist der Kindsvater erstinstanzlich freigesprochen worden (Az. ... jug). Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, nachdem die Staatsanwaltschaft ... am ... 2024 Berufung gegen das Urteil eingelegt hat.
Der Pflegling hatte vertreten durch die Kindsmutter im Rahmen des erstinstanzlichen Strafverfahrens gegen den Vater mit Schriftsatz vom ... 2024 erklärt, sich dem Verfahren als Nebenklägerin anzuschließen und beantragt, die Nebenklage zuzulassen. Mit Beschluss vom ... (Tag der Urteilsverkündung) hat das Amtsgericht - Schöffengericht - ... den Antrag zurückgewiesen, da es bei fortbestehender gemeinsamer elterlicher Sorge an der erforderlichen Zustimmung des Kindsvaters zur Nebenklage fehlte.
Zur Niederschrift des Rechtspflegers beim Amtsgericht - Familiengericht - ... hat die Kindsmutter daraufhin am ... 2024 beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung dem Kindsvater die elterliche Sorge für ein Nebenklageverfahren des Kindes K gegen ihn zu entziehen und insoweit auf die Kindsmutter zu übertragen. Hilfsweise hat sie beantragt, beiden Eltern die elterliche Sorge für das mögliche Nebenklageverfahren teilweise zu entziehen und insoweit einen Verfahrenspfleger zu bestellen.
Mit Beschluss vom 15.07.2024 hat das Amtsgericht für das Kind eine Verfahrensbeiständin bestellt. Diese hat mit Schriftsatz vom 06.08.2024 die Anordnung einer Pflegschaft befürwortet. Die Kindsmutter hat sich mit ergänzender Begründung dafür ausgesprochen, nur dem Kindsvater die elterliche Sorge betreffend Entscheidungen zur Nebenklage zu entziehen.
Mit Beschluss der Rechtspflegerin vom 27.08.2024 hat das Amtsgericht für das Kind K Ergänzungspflegschaft für den Aufgabenkreis der Prüfung des Anschlusses als Nebenklägerin im Strafverfahren gegen den Vater und gegebenenfalls zur Vertretung der Nebenklage im Strafverfahren angeordnet. Als Ergänzungspfleger hat es das Jugendamt ... bestimmt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Entziehung der Vertretungsmacht für beide Elternteile zu erfolgen habe, da ein erheblicher Gegensatz zwischen den Interessen des Kindes und denen beider Eltern nicht ausgeschlossen werden könne.
Gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 28.08.2024 zugestellten Beschluss wendet sich die Kindsmutter mit ihrer am 12.09.2024 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde. Es liege kein erheblicher Interessengegensatz zwischen der Mutter und dem Kind in Bezug auf den Anschluss als Nebenklägerin vor, der eine teilweise Entziehung der elterlichen Sorge auch für die Kindsmutter rechtfertige. Die angegriffene Entscheidung habe sich hiermit inhaltlich auch nicht auseinandergesetzt.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16.09.2024 n...