Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch des PKH-Anwalts im Festsetzungsverfahren nach §§ 45 ff. RVG: Auslegung eines Erweiterungsbeschlusses, mit dem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf den Abschluss eines sog. Mehrvergleichs erstreckt wird
Leitsatz (amtlich)
1. Die Maxime, dass Prozesskostenhilfe für das Prüfungsverfahren selbst grundsätzlich nicht gewährt werden kann (BGHZ 159, 263 = NJW 2004, 2595 = FamRZ 2004, 1708), gilt jedenfalls im Anwendungsbereich des § 48 Abs. 1 RVG auch für die ergänzende Bewilligung von PKH für den Abschluss eines sog. Mehrvergleichs (Fortführung von OLG Bamberg FamRZ 2008, 662 sowie Anschluss an OLG München NJW-RR 2009, 1367 und OLG Bamberg FamRZ 2010, 231).
2. Auf der Grundlage eines solchen Erweiterungsbeschlusses, mit dem ohne nähere Begründung einem ebenfalls nur floskelhaft formulierten Ergänzungsantrag entsprochen wird, kann der beigeordnete Anwalt daher nur die Erstattung der Einigungsgebühr beanspruchen (entgegen OLG Koblenz FamRZ 2006, 1691; OLG Köln AGS 2008, 247 und OLG Düsseldorf FamRZ 2009, 1087).
Normenkette
RVG § 48 Abs. 1; ZPO § 114 S. 1, § 118 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
LG Bayreuth (Beschluss vom 16.04.2010; Aktenzeichen 32 O 189/09) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem LG Bayreuth wird der Beschluss des LG Bayreuth vom 16.4.2010 aufgehoben.
II. Die Erinnerung der Beklagtenvertreterin und Antragstellerin gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des LG vom 15.1.2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung der beigeordneten Rechtsanwältin entsprechend dem Teilabhilfebeschluss des Urkundesbeamten vom 23.2.2010 auf insgesamt 1.405,27 EUR festgesetzt bleibt.
III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beläuft sich auf 138,99 EUR.
Gründe
I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegenerin (fortan auch: Beklagtenvertreterin) war den verklagten Eheleuten erstinstanzlich im Rahmen der Bewilligung von ratenfreier Prozesskostenhilfe beigeordnet worden. Diese Bewilligung erstreckte sich antragsgemäß sowohl auf die Verteidigung gegen die Klage, mit der das klagende Ehepaar - nach einem wegen arglistiger Täuschung erklärten Rücktritt von dem notariellen Kaufvertrag über das Wohngrundstück der Beklagten - die Beklagtenseite auf Zustimmung zur Auskehrung eines auf dem Anderkonto des Urkundsnotars hinterlegten Teilbetrages von 15.000 EUR in Anspruch genommen hatte, als auch auf die Widerklage, mit der die Beklagten ihrerseits die Zustimmung zur Freigabe des hinterlegten Betrages sowie eine Zahlung von 8.800 EUR verlangten.
Nach Einvernahme des Urkundsnotars hatten die Parteien im Termin vom 6.10.21010 einen Prozessvergleich geschlossen, in dem die Beklagten die von ihnen verlangte Zustimmungserklärung abgaben sowie die gesamten Kosten des Rechtsstreits übernahmen. Die Abgeltungsklausel in Ziff. II. des Vergleichs, wonach
"im Übrigen zwischen den Parteien keinerlei Ansprüche mehr aus der Vertragsurkunde ... bestehen", betrifft insbesondere die von der Klägerseite im vorgerichtlichen Rücktrittsschreiben angekündigten und in der Klageschrift (ansatzweise) erläuterten "Schadensersatzansprüche" (insbesondere wegen "nutzloser Aufwendungen in das Objekt, Vertrags- und Umzugskosten" sowie der schon geleisteten - ein etwa geschuldetes Nutzungsentgelt weit übersteigenden - Zahlungen auf den Kaufpreis).
Noch in diesem Schlusstermin wurde der Streitwert auf (15.000 + 8.800 =) 23.800 EUR und der übersteigende Gegenstandswert des Prozessvergleichs auf 15.000 EUR festgesetzt.
Entsprechend dem nachträglichen Antrag der Beklagtenvertreterin vom 7.10.2010 hat das LG mit nicht näher begründetem Beschluss vom 8.10.2010
"die den Beklagten bewilligte Prozesskostenhilfe ... auf den am 6.10.2009 geschlossenen Vergleich erstreckt."
In ihrem ursprünglichen Vergütungsantrag hatte die beigeordnete Rechtsanwältin die Festsetzung einer Gesamtvergütung von 1.932,32 EUR beantragt und hierbei u.a. die folgenden Gebühren entsprechend den ermäßigten Gebührensätzen des § 49 RVG zur Erstattung angemeldet:
- eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV (fortan nur: Nr. 3100 VV) aus einem Gegenstandswert von 23.800 EUR,
- eine 0,8 Differenzverfahrensgebühr gem. Nr. 3101 Nr. 2 VV aus einem Gegenstandswert von 15.000 EUR,
- eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV aus einem Gegenstandswert von 38.800 EUR sowie
- eine 1,0 Einigungsgebühr entsprechend Nr. 1003 VV aus einem Gegenstandswert von 38.800 EUR.
Mit Beschluss vom 15.1.2010 hat der Rechtspfleger als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle die Vergütung auf insgesamt 1.386,05 EUR festgesetzt, wobei zum einen sowohl die angemeldete 0,8 Differenzverfahrensgebühr wie auch die 1,2 Terminsgebühr aus dem "übersteigenden Vergleichswert" abgesetzt und des Weiteren entsprechend der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 zu Nr. 3100 VV eine 0,65 (vorgerichtliche) Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr angerechnet wurde.
Der mit einer Neufassung des Festsetzungsantrags verbundenen Er...