Entscheidungsstichwort (Thema)

Einspruch für namensgleichen anderen Betroffenen

 

Leitsatz (amtlich)

Ergeht nach Einspruchseinlegung durch einen nicht betroffenen Dritten ein Verwerfungsurteil gemäß § 74 II OWiG gegen den (tatsächlich) Betroffenen, weil das Gericht irrtümlich von dessen Einspruch ausgeht, ist auf seine Sachrüge hin das Urteil wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses, nämlich der Rechtskraft des Bußgeldbescheides, durch das Rechtsbeschwerdegericht aufzuheben. Der Einspruch des nicht betroffenen Dritten ist durch das Rechtsbeschwerdegericht unter Auferlegung der durch den Einspruch und dessen Verwerfung entstandenen Kosten des gerichtlichen Verfahrens als unzulässig zu verwerfen.

 

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Die Zentrale Bußgeldstelle verhängte gegen den Betr. Adam B. mit Bußgeldbescheid vom 25.07.2012 wegen einer fahrlässigen Abstandsunterschreitung eine Geldbuße von 360 € sowie ein mit einer Anordnung gemäß § 25 IIa StVG versehenes Fahrverbot von 1 Monat. Der Bußgeldbescheid wurde dem Betr. am 27.07.2012 zugestellt. Am 30.07.2012 gelangte bei der Bußgeldstelle ein Schriftsatz des Rechtsanwalts E.T. in Einlauf, in dem dieser unter Nennung des Aktenzeichens der Bußgeldstelle erklärte, "in der Bußgeldsache gegen Berta B." bestelle er sich unter Vorlage einer auf ihn lautenden Vollmacht zum Verteidiger der betroffenen Mandantschaft und lege "Namens und mit Vollmacht der betroffenen Mandantschaft gegen den Bußgeldbescheid vom 25.07.2012 Einspruch ein". Dem Schreiben war eine von Berta B. erteilte Strafprozessvollmacht beigefügt, die denselben Nachnamen wie Adam B. führt. Im nachfolgenden Schriftsatz des Rechtsanwalts E.T. vom 23.08.2012, mit dem die Akte nach Gewährung von Akteneinsicht zurückgereicht wurde, wurde - wie ab dann in sämtlichen weiteren Schriftsätzen - die Angelegenheit als "Bußgeldsache gegen Adam B." bezeichnet. Nach Aktenübersendung an die StA und Aktenvorlage an das AG erfolgte dort mit Verfügung vom 06.09.2012 "in dem Bußgeldverfahren gegen Adam, B." Bestimmung des Termins zur Hauptverhandlung auf 11.10.2012. In diesem Termin verwarf das AG den Einspruch des Betr. Adam B. gegen den Bußgeldbescheid vom 25.07.2012 gemäß § 74 II OWiG. Das in Abwesenheit von Rechtsanwalt E.T. verkündete Urteil wurde diesem am 26.10.2012 zugestellt. Mit am 29.10.2012 beim AG eingegangenem Verteidigerschriftsatz vom 27.10.2012 legte der Verteidiger neben einem Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 74 IV OWiG Rechtsbeschwerde ein, die er sogleich mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete. Nach rechtskräftiger Ablehnung der Wiedereinsetzung verwarf das AG die Rechtsbeschwerde des Betr. mit Beschluss vom 06.03.2013 als unzulässig, weil innerhalb der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist keine Begründung der Rechtsbeschwerde eingegangen sei. Gegen diesen ihm am 11.03.2013 zugestellten Beschluss beantragte der Verteidiger mit Schreiben vom 11.03.2013, beim AG eingegangen am 12.03.2013, die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die Rechtsmittel des Betr. führten zur Aufhebung des Beschlusses vom 06.03.2013 und des Verwerfungsurteils vom 11.10.2012 sowie zur Verwerfung des Einspruchs der Berta B. als unzulässig.

 

Entscheidungsgründe

I. Der gemäß § 346 II StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG zulässige Antrag des Betr. Adam B. auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts hinsichtlich des Beschlusses des AG vom 06.03.2013, mit dem seine Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des AG vom 11.10.2012 als unzulässig verworfen wurde, ist begründet. Das Urteil wurde dem Verteidiger am 26.10.2012 zugestellt. Bereits mit Einlegung der Rechtsbeschwerde [...] wurde mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts in zulässiger Weise die allgemeine Sachrüge erhoben. Wenn sich - wie hier - das Ziel der Rechtsbeschwerde, nämlich die Anfechtung des Urteils insgesamt mit der allgemeinen Sachrüge ergibt, ist das Fehlen eines Rechtsbeschwerdeantrags unschädlich (Göhler/Seitz OWiG 16. Aufl. § 79 Rn. 27a). Der angefochtene Beschluss vom 06.03.2013 war deshalb - ohne diesbezügliche Kostenentscheidung (vgl. Meyer-Goßner StPO 56. Aufl. § 346 Rn. 12 m.w.N.) - aufzuheben.

II. Die gemäß § 79 I 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des Urteils des AG und zur Verwerfung des Einspruchs der Berta B. als unzulässig.

1. Berta B. hatte gegen den Bußgeldbescheid vom 25.07.2012, der gegen den denselben Nachnamen führenden Betr. Adam B. gerichtet und ihm am 27.07.2012 zugestellt worden war, mit Schriftsatz des Rechtsanwalts E.T. vom 30.07.2012, dem eine Vollmacht zur Verteidigung und Vertretung von Berta B. vom 05.07.2012 beigefügt war, Einspruch eingelegt. Anhaltspunkte dahingehend, dass sie diesbezüglich für Adam B. in Vollmacht handelte, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich. Ein Einspruch des tatsächlich vom Bußgeldverfahren Betroffenen Adam B., gegen den sich der Bußgeldbescheid richtete, liegt nicht vor.

2. Der Einspruch der Berta B. gegen den - sie nicht betreffenden - Bußg...

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