Leitsatz (amtlich)
War der Versicherungsfall vor dem 1.9.2008 eingetreten, so ist auf Altfälle, denen ein vor dem 1.1.2008 abgeschlossener Versicherungsvertrag zugrunde liegt, das gesamte Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung anzuwenden (Anschluss an OLG Stuttgart, VersR 2009, 246; OLG Hamm, Beschl. v. 20.5.2009 - 20 U 110/08 - juris; OLG Naumburg, VersR 2010, 374; OLG Nürnberg, VersR 2010, 935).
Normenkette
VVG a.F. § 48; VVG n.F. § 215; EGVVG Art. 1
Verfahrensgang
LG Coburg (Beschluss vom 07.07.2010; Aktenzeichen 11 O 263/10) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des LG Coburg vom 7.7.2010 - 11 O 263/10, wird zurückgewiesen.
2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.
1. Der Antragsteller will die Antragsgegnerin aus einem vor dem 31.12.2007 abgeschlossenen Tierhalterhaftpflichtversicherungsvertrag in Anspruch nehmen. Am 20.5.2008 wurde er von einem Pferd des Versicherungsnehmers verletzt, als dieses mit dem Hinterhuf ausschlug und ihn am Kopf traf. Der Versicherungsnehmer hat seine ggü. dem Versicherer bestehenden, auf den Schadensfall bezogenen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an den Antragsteller abgetreten.
Das LG hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage zurückgewiesen, weil es der beabsichtigten Rechtsverfolgung an der gem. § 114 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht fehle. Zur Begründung hat es dabei darauf abgehoben, dass eine örtliche Zuständigkeit des LG Coburg nicht gegeben sei. Diese folge insbesondere nicht aus § 215 VVG n.F., weil diese Vorschrift nicht auf Altverträge für bis zum 31.12.2008 eingetretene Versicherungsfälle anwendbar sei. Die Zuständigkeit des LG Coburg folge auch nicht aus § 32 ZPO.
2. Das hiergegen gerichtete Rechtsmittel des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Erstgerichts zur hier maßgeblichen Zuständigkeitsfrage.
a) Die Frage, ob § 215 VVG n.F., der den Wohnsitzgerichtsstand des Versicherungsnehmers eröffnet, auf Altverträge für im Jahre 2008 eingetretene Versicherungsfälle anwendbar ist, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung kontrovers beantwortet und ist höchstrichterlich nicht geklärt. Eine Ansicht bejaht die Anwendbarkeit des § 215 VVG n.F. auf Altfälle bereits bei Eintritt des Versicherungsfalls ab dem 1.1.2008 und stellt darauf ab, dass sich die Übergangsvorschrift des Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 EGVVG allein auf die Abwicklung des Versicherungsfalles beziehe (vgl. z.B. OLG Saarbrücken, VersR 2008, 1337; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.4.2009 - 3 W 20/09 - Juris; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.5.2010 - 10 W 772/09 - Juris). Nach anderer Auffassung soll § 215 VVG n.F. nur für bis zum Ende des Jahres 2008 gegen den Versicherer aus Altverträgen erhobene Klagen nicht anwendbar sein (vgl. z.B. OLG Hamburg, Beschl. v. 30.3.2009 - 9 W 23/09 - Juris; OLG Köln, Beschl. v. 9.6.2009 - 9 W 36/09 - Juris; OLG Dresden, Beschl. v. 10.11.2009 - 3 AR 81/09 - Juris; OLG Rostock, Beschl. v. 15.4.2010 - 5 W 179/09 - Juris). Die dritte Meinung, der das Erstgericht gefolgt ist, sieht für eine Unterscheidung zwischen materiellen und prozessrechtlichen Vorschriften im Gesetz keine Stütze, weshalb § 215 VVG n.F. gem. Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 EGVVG bei Altverträgen und Eintritt des Versicherungsfalls bis zum 31.12.2008 unabhängig vom Datum der Klageerhebung keine Anwendung finde (vgl. z.B. OLG Stuttgart, VersR 2009, 246; OLG Hamm, Beschl. v. 20.5.2009 - 20 U 110/08 - Juris; OLG Naumburg, VersR 2010, 374; OLG Nürnberg, VersR 2010, 935). Rechtsprechung des OLG Bamberg zu dieser Frage existiert noch nicht.
b) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
Bei bis Ende 2007 entstandenen Versicherungsverhältnissen (Altverträgen) und Eintritt des Versicherungsfalls bis zum 31.8.2008 lässt die Übergangsregelung des Art. 1 EGVVG keine Auslegung zu: Auf sie ist das gesamte Versicherungsvertragsgesetz in der bis zum 13.12.2007 geltenden Fassung anzuwenden. Für eine Anwendung des § 215 VVG n.F. bleibt mithin kein Raum.
Ansatzpunkte für eine Differenzierung nach Vorschriften des materiellen und des Prozessrechts sind nicht erkennbar und insbesondere nicht dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen. Weder der Begriff "Versicherungsverhältnisse" in Art. 1 Abs. 1 EGVVG noch die Wörter "Versicherungsfall" und "insoweit" in Art. 1 Abs. 2 EGVVG weisen in die Richtung, dass prozessrechtliche Vorschriften ausgeklammert sein könnten. Aus den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 16/3945, 117 f.) ergibt sich ebenfalls nicht zwingend ein entsprechender Wille des Gesetzgebers. Zu Art. 1 Abs. 2 EGVVG wird ausgeführt, dass "das Inkrafttreten des VVG zum 31.12.2008 für Altverträge ... im Hinblick auf bereits laufende Schadensfälle problematisch" sei. Eine Unterscheidung...