Verfahrensgang
AG Landsberg a. Lech (Entscheidung vom 08.11.2011) |
Tenor
I. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Landsberg am Lech vom 08. November 2011 aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Landsberg am Lech zurückverwiesen.
Gründe
I. Das Amtsgericht Landsberg am Lech sprach die Betroffene mit Urteil vom 08.11.2011 schuldig, als Führer eines Kraftfahrzeugs fahrlässig bei einer Geschwindigkeit von 107 km/h einen ungenügenden Sicherheitsabstand eingehalten zu haben, wobei der Abstand weniger als 3/10 des halben Tachowertes betrug, und verurteilte sie deshalb zu einer Geldbuße von 160,00 €. Zugleich verhängte es ein mit einer Anordnung gemäß § 25 Abs. 2 a StVG versehenes Fahrverbot für die Dauer eines Monats.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügt die Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
II. Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge - zumindest vorläufig - Erfolg, so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf. Die Urteilsgründe sind lückenhaft (§§ 267 Abs. 1, 337 StPO i.V.m. §§ 71 Abs. 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).
1. Das Amtsgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt (UA S. 3):
"Die Betroffene fuhr am 29.04.2011 um 14.45 Uhr mit dem Pkw der Marke Audi, mit dem amtlichen Kennzeichen xxxxx, auf der Bundesautobahn A96 im Gemeindebereich S. in Fahrtrichtung L.. Bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 107 km/h betrug bei km 3.499 ihr Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug 15,75 Meter und damit weniger als 3/10 des halben Tachowertes. Bei Anwendung der im Verkehr gebotenen Sorgfalt hätte die Betroffene erkennen können und müssen, dass sie zu nah auf das vorausfahrende Fahrzeug aufgeschlossen hatte. Dieses Fehlverhalten war für sie auch vermeidbar."
Im Rahmen der Beweiswürdigung führt das Amtsgericht zur Fahrereigenschaft der Betroffenen aus (UA S. 3):
"Hinsichtlich ihrer Fahrereigenschaft kann ein Tatnachweis geführt werden aufgrund der auf Blatt 16 und 29 der Akte befindlichen Frontfotos, welche die Fahrerin des Tatfahrzeuges zeigen. Auf die genannten Lichtbilder wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, § 71 Abs. 1 OWiG ausdrücklich Bezug genommen. Die Lichtbilder wurden seitens des Gerichts im Rahmen der Hauptverhandlung in Augenschein genommen. Sämtliche Bilder sind von guter Qualität und zur Identifizierung der Fahrzeugführerin ohne Weiteres geeignet. Das Gericht hat keinerlei Zweifel daran, dass es sich bei der hierauf abgebildeten weiblichen Person am Steuer des Tatfahrzeuges um die Betroffene handelt. Das Gericht hat die Betroffene in der Hauptverhandlung im Wege des Augenscheines eindeutig als Fahrzeugführerin identifiziert."
Zur Geschwindigkeits- und Abstandsmessung führt das Amtsgericht u.a. aus (UA S. 4):
"Nach der Aussage des Zeugen K. wurde die Abstandsunterschreitung im vorliegenden Fall im Rahmen eines standardisierten Messverfahrens mit einer Videoabstandsmessanlage (VAMA), ausgestattet mit dem geeichten Zeichengenerator JVC/Piller, Gerätetyp CG-P50E/TG-3, festgestellt (vgl. hierzu OLG Bamberg, Beschluss vom 16.11.2009 - 2 Ss OWi 1215/09). Eingesetzt habe er den der Verkehrspolizeiinspektion F. zugeordneten bis 31.12.2010 geeichten Charaktergenerator mit der Nr. 12xxxx. Der Zeuge hat glaubhaft bekundet, dass die Messung, wie von ihm im Messprotokoll bestätigt, ordnungsgemäß durchgeführt wurde."
2. Die Feststellungen zur Fahreridentität halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da die Urteilsgründe insofern lückenhaft sind.
Für die Identifizierung eines Betroffenen anhand bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit gefertigter Lichtbilder gilt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich Folgendes (vgl. grundlegend BGHSt 41, 376/380 ff.):
Ob ein Lichtbild im Rahmen der Fahreridentifizierung die Feststellung zulässt, dass der Betroffene der abgebildete Fahrzeugführer ist, hat - zunächst - allein der Tatrichter zu entscheiden. Es kann daher mit der Rechtsbeschwerde grundsätzlich nicht mit Erfolg beanstandet werden, der Betroffene sei entgegen der Überzeugung des Tatrichters nicht mit der in der Bildaufzeichnung abgebildeten Person identisch. Die Überprüfung dieser tatrichterlichen Überzeugung ist dem Rechtsbeschwerdegericht prinzipiell untersagt.
Auch bei der Identifizierung eines Betroffenen anhand von Lichtbildern - mit oder ohne sachverständige Beratung - sind aber der freien Beweiswürdigung durch den Tatrichter Grenzen gesetzt. Je nach Qualität und Inhalt der verfügbaren Beweisbilder können sich ein Vergleich mit dem in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen und der Schluss auf seine Täterschaft von vorneherein als schlechterdings unmöglich und willkürlich erweisen. Sieht der Tatrichter den Betroffenen in einem solchen Fall aufgrund von Lichtbildern als überführt an, ist dies rechtsfehlerhaft und das Urteil kann insoweit im Rechtsbeschwerdeverfahren mit der Sachrüge be...