Entscheidungsstichwort (Thema)

Verteidigerausschluss wegen versuchter Strafvereitelung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Vorlageverfahren über den Verteidigerausschluss bedarf es als Prozessvoraussetzung eines gerichtlichen Vorlagebeschlusses, aus welchem sich unmittelbar selbst oder wenigstens durch Bezugnahme auf den Antrag der Staatsanwaltschaft der hinreichende Tatverdacht eines Ausschließungsgrundes ergibt. Ein lediglich auf die gegen den Verteidiger erhobene Anklage Bezug nehmender Ausschließungsantrag genügt den Mindestanforderungen des § 138c II 2 StPO nicht (u.a. Anschluss an OLG Celle, Beschl. v. 28.10.2014 - 2 Ws 84/14 = StraFo 2015, 21 = NStZ-RR 2015, 80 = StVG 2016, 141 = OLGSt StPO § 138c Nr. 1 und OLG Bamberg, Beschl. v. 01.08.2011 - 1 Ws 378/11 = StraFo 2012, 187 = StV 2014, 8). Eine wegen Formmangels unzulässige Vorlage kann - gegebenenfalls auf gerichtlichen Hinweis - nachgebessert werden.

2. Das förmliche Ausschließungsverfahren gilt auch für Pflichtverteidiger und geht einer gegebenenfalls möglichen Rücknahme der Bestellung aus wichtigem Grund oder nach § 143 StPO vor.

3. Die Grenze prozessual zulässigen Verteidigungshandelns ist überschritten, wenn durch eine abgesprochene falsche Zeugenaussage die aufgrund der Indizien gegen den Angeklagten sprechende Beweislage verschlechtert werden sollte und dies der (Pflicht-)Verteidiger nicht nur wusste, sondern es ihm gerade auch darauf ankam.

 

Normenkette

StGB §§ 22-23, 258 Abs. 1; StPO § 138a Abs. 1 Nr. 3, § 138c Abs. 2, § 138d Abs. 3, §§ 141, 143, 203

 

Tenor

  1. Im Vorlageverfahren über den Verteidigerausschluss bedarf es als Prozessvoraussetzung eines gerichtlichen Vorlagebeschlusses, aus welchem sich unmittelbar selbst oder wenigstens durch Bezugnahme auf den Antrag der Staatsanwaltschaft der hinreichende Tatverdacht eines Ausschließungsgrundes ergibt. Ein lediglich auf die gegen den Verteidiger erhobene Anklage Bezug nehmender Ausschließungsantrag genügt den Mindestanforderungen des § 138c II 2 StPO nicht (u.a. Anschluss an OLG Celle, Beschl. v. 28.10.2014 - 2 Ws 84/14 = StraFo 2015, 21 = NStZ-RR 2015, 80 = StVG 2016, 141 = OLGSt StPO § 138c Nr. 1 und OLG Bamberg, Beschl. v. 01.08.2011 - 1 Ws 378/11 = StraFo 2012, 187 = StV 2014, 8). Eine wegen Formmangels unzulässige Vorlage kann - gegebenenfalls auf gerichtlichen Hinweis - nachgebessert werden.
  2. Das förmliche Ausschließungsverfahren gilt auch für Pflichtverteidiger und geht einer gegebenenfalls möglichen Rücknahme der Bestellung aus wichtigem Grund oder nach § 143 StPO vor.
  3. Die Grenze prozessual zulässigen Verteidigungshandelns ist überschritten, wenn durch eine abgesprochene falsche Zeugenaussage die aufgrund der Indizien gegen den Angeklagten sprechende Beweislage verschlechtert werden sollte und dies der (Pflicht-)Verteidiger nicht nur wusste, sondern es ihm gerade auch darauf ankam.
 

Tatbestand

Die StA legte dem von RA R zunächst als Wahlverteidiger verteidigten Angekl. A mit Anklageschrift vom 11.12.2014 zur Last, zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt kurz vor dem 08.10.2013 gegen ein in der Höhe unbekanntes, von dem anderweitig Verfolgten T bezahltes Entgelt ein Paket mit 1.519,8 g Marihuana über einen Paketdienst an einen tatsächlich nicht existenten Adressaten in D. versandt zu haben, wobei das Paket nach dem Tatplan des Angekl. und des T von diesem im Rahmen seiner Tätigkeit als Paketausfahrer übernommen werden sollte. Das Paket wurde jedoch noch vor Übergabe an T sichergestellt. Die Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden beruhten auf den Ermittlungen im Rahmen eines gegen den anderweitig Verfolgten T geführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens. Im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung bei dem anderweitig Verfolgten T ergaben sich Hinweise darauf, dass A der Absender des Päckchens war. Der anderweitig Verfolgte T. wurde wegen dieses Sachverhalts mit Urteil des AG vom 15.01.2015, rechtskräftig seit 23.01.2015, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen und wegen einer weiteren Tat sowie unter Einbeziehung weiterer Strafen aus einer vorausgegangenen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren mit Bewährung verurteilt. Mit Beschluss vom 15.01.2015 bestellte das AG dem Angekl. A im vorliegenden Verfahren RA R als Pflichtverteidiger. In der Hauptverhandlung am 23.02.2015 erklärte RA R als Pflichtverteidiger zunächst, dass sich sein Mandant nur zur Beziehung zu T, nicht aber zur Tat selbst äußern wolle. Daraufhin gab der A u.a. an, er kenne den anderweitig Verfolgten T seit 10 Jahren und habe ihm 8.000 EUR geliehen. Auf Vorhalt des bei dem anderweitig Verfolgten T sichergestellten Zettels äußerte sich A dahingehend, dass es sich um seine neue Telefonnummer gehandelt habe. Seinem Vater sei es damals nicht so gut gegangen. Hierzu erklärte RA R: "Herr T hatte ein freundschaftliches Verhältnis zum Vater des Angeklagten". Der anderweitig Verfolgte T gab als Zeuge an, er wisse nicht, von wem er das Paket erhalten habe. Die Person kenne ...

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