Entscheidungsstichwort (Thema)
Trunkenheitsfahrt. Alkohol. Atemalkoholkonzentration. AAK. Schuldform. Vorsatz. Fahrlässigkeit. Fahrverbot. Geldbuße. Verfolgungsfahrt. Flucht. Gesamtwürdigung. Beweisanzeichen. Bedeutung. Einzelfall. Geschwindigkeit. billigend in Kauf. Zusammenhang. Trunkengeld. Fluchtversuch. Schleichweg
Leitsatz (amtlich)
Die Annahme einer vorsätzlichen Tatbegehung nach § 24a I StVG setzt eine umfassende Gesamtwürdigung aller indiziell relevanten Umstände des Einzelfalles voraus. Zwar kann insoweit auch ein bestimmtes Nachtatverhalten von Bedeutung sein, jedoch darf allein aus einem selbst mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit unternommenen Versuch, sich einer drohenden Polizeikontrolle zu entziehen, noch nicht auf ein (bedingt) vorsätzliches Handeln des Betroffenen geschlossen werden. (Rn. 4)
Normenkette
StVG § 24a Abs. 1, 3, § 25 Abs. 2, 2 Buchst. a); StGB § 316; OWiG § 79 Abs. 6; BKatV § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; BKatV Nr. 241
Tatbestand
Das AG verurteilte den bisher unbelasteten Betr. wegen vorsätzlichen Führens eines Kfz im Straßenverkehr mit einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer Atemalkoholkonzentration (AAK) von mehr als 0,25 mg/l geführt hat, zu einer Geldbuße von 1.000 EUR und ordnete gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot an. Der in der Hauptverhandlung abwesende, jedoch von seinem Verteidiger vertretene Betr. hatte die Fahrereigenschaft eingeräumt, darüber hinaus keine Angaben zur Sache gemacht. Nach den Urteilsfeststellungen befuhr der Betr. am 02.04.2017 um 00.15 Uhr einen Pkw auf der Hauptstraße in H., obwohl er vor Fahrtantritt, wie er wusste, Alkohol konsumiert hatte. Eine mit dem Gerät ,Dräger Alcotest 7110 Evidential' erfolgte Messung ergab eine Tatzeit-AAK von 0,51 mg/l im Mittelwert. Das AG ist davon ausgegangen, dass der Betr. mit einer AAK in dieser Höhe gerechnet und sie billigend in Kauf genommen habe. Wie der als Zeuge vernommene polizeiliche Messbeamte bekundet habe, sollte der Betr. im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle angehalten werden. Der Betr. sei mit dem Pkw aus dem Parkplatz eines Fitnessstudios auf die T.-Straße heraus und zunächst dem Streifenwagen entgegen gefahren, woraufhin der Zeuge den Streifenwagen gewendet und das Anhaltesignal ,Stopp Polizei' aktiviert habe. Hierauf habe der Betr. sofort beschleunigt, weshalb der Zeuge das Blaulicht eingeschaltet habe und dem Betr. weiter gefolgt sei. Als dieser weiterhin keine Anstalten gemacht habe, anzuhalten, sei das Martinshorn zugeschaltet worden. Gleichwohl sei der Betr. über die Kreisstraße aus dem Ortsgebiet heraus- und dann nach links in die C.-Straße abgebogen und wieder nach H. hineingefahren. Dort habe der Betr. auf Höhe des Anwesens Hauptstraße 88 abrupt abgebremst, wo sich der Zeuge mit dem Streifenwagen derart neben ihn habe stellen können, dass dem Betr. eine Weiterfahrt nicht mehr möglich gewesen sei. Der Betr. sei mit einer Höchstgeschwindigkeit von ca. 90 km/h innerorts gefahren. Bei der Kontrolle habe der Zeuge bemerkt, dass die Aussprache des Betr. verwaschen gewesen sei. Vor dem Hintergrund des von dem Zeugen geschilderten Verhaltens des Betr. bestanden nach Auffassung des AG keine Zweifel daran, dass dem Betr. als Berufskraftfahrer bewusst war, dass er eine für das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG relevante AAK aufwies und deshalb im Falle einer Kontrolle mit Konsequenzen einschließlich eines Fahrverbots würde rechnen müssen, weshalb er sich durch eine riskante Flucht mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit über eine Strecke von 2 km der Kontrolle entzogen habe. Mit der gegen die Verurteilung gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betr. die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Rechtsbeschwerde führte zur Abänderung der Schuldform von Vorsatz in Fahrlässigkeit und zur einer Herabsetzung der verwirkten Geldbuße auf 500 EUR durch das in der Sache selbst entscheidende OLG; im Übrigen erwies sich das Rechtsmittel als unbegründet i.S.v. § 349 II StPO i.V.m. § 79 III1 OWiG.
Entscheidungsgründe
1. Soweit das AG [...] von einer (bedingt) vorsätzlichen Verwirklichung des Verstoßes gegen § 24a I StVG ausgeht und dies allein mit dem Versuch des Betr. begründet, sich der Polizeikontrolle zu entziehen, kann der Schuldspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand haben.
a) Zutreffend hat das AG zwar erkannt, dass Bezugspunkt der Schuld bei § 24a I StVG das bloße Erreichen der darin genannten Grenzwerte ist und Vorsatz voraussetzt, dass der Betr. zumindest mit einer Atem- bzw. Blutalkoholkonzentration in der in § 24a I StVG genannten Höhe rechnet und diese, für den Fall, dass sie vorliegt, billigend in Kauf nimmt (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 04.01.1989 - 1 Ss 275/88 = VRS 76 [1989], 453 = DAR 1989, 310; Hentschel/König/Dauer Straßenverkehrsrecht 44. Aufl. § 24a Rn. 25, 25a und 26). Auch ist das AG zutreffend davon ausgegangen, dass allein aus der Höhe der festgestellten AAK nicht auf Vorsatz geschlossen werden kann; insoweit gelten dieselben Grundsätze wie für eine Ver...