Normenkette
BGB §§ 1628, 1671 Abs. 2 Nr. 2, § 1687 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Gemünden am Main (Aktenzeichen 1 F 501/01) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG – FamG – G. vom 7.3.2002 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat die der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000 Euro.
Gründe
I. Die Parteien waren verheiratet, lebten aber seit März 1999 getrennt. Zwischen ihnen war beim AG … ein Scheidungsverfahren anhängig, das nach Abtrennung der Folgesache „Versorgungsausgleich” durch Teilurteil vom 15.5.2002 beendet worden ist.
Aus der Ehe der Parteien sind der 1991 geborene Sohn F. und die 1993 geborene Tochter L. hervorgegangen. Diese leben bei der Mutter.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 13.7.2001 (Bl. 1–4 d.A.) beantragt, ihr die Entscheidungsbefugnis über die Weiterbehandlung des Kindes F. mit dem Medikament Ritalin und über eine begleitende Verhaltenstherapie für das Kind allein zu übertragen. Sie hat vorgebracht, F. leide unter einer Aufmerksamkeits- und Aktivitätsstörung.
Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht davon ausgehen sollte, dass es sich bei der str. Angelegenheit um eine solche des täglichen Lebens handelt, hat sie mit Schriftsatz vom 1.3.2002 (Bl. 80–83 d.A.) beantragt, dass sie im Rahmen ihrer Alleinentscheidungsbefugnis für Angelegenheiten des täglichen Lebens berechtigt sei, dem Kind F. nach ärztlicher Verordnung die für die Behandlung seines ADS-Syndroms verschriebenen Medikamente, insb. Ritalin oder Medikinet, zu verabreichen, ohne dass der Antragsgegner ein Interventionsrecht ggü. ihr und den behandelnden Ärzten hat.
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 24.7.2001 (Bl. 10–14 d.A.) beantragt, den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen. Er hat bestritten, dass F. unter einer Aufmerksamkeitsstörung und einer Aktivitätsstörung leide, die notwendig mache, ihn mit Ritalin zu behandeln. Mit Schriftsatz vom 17.9.2001 (Bl. 28–30 d.A.) hat er seinerseits beantragt, die Entscheidungsbefugnis über die Behandlung des Kindes mit dem Medikament Ritalin oder mit Medikamenten mit ähnlichen Wirkstoffen und über eine begleitende Verhaltenstherapie auf ihn zu übertragen.
Das AG G. hat am 27.7.2001 einen Beweisbeschluss zu der Frage erlassen, ob es dem Wohl des Kindes entspricht, wenn es mit Ritalin behandelt wird. Das staatliche Gesundheitsamt … in L., das zunächst eine gutachtliche Stellungnahme zu der Beweisfrage abgeben sollte, hat den Gutachtensauftrag wegen fehlender kinderpsychiatrischer Kompetenz zurückgegeben. Die Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität W., die daraufhin mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt worden war, hat mit Schreiben vom 13.12.2001 (Bl. 55 d.A.) den Gutachtensauftrag ebenfalls zurückgegeben, weil es das Kind (außergerichtlich) untersucht und eine Behandlung mit Ritalin befürwortet hatte.
Nach mündlicher Verhandlung am 6.2.2002 (Bl. 69 f. d.A.) hat das AG – FamG – G. mit Beschluss vom 7.3.2002 (Bl. 88–90 d.A.) die gemeinsame elterliche Sorge der Parteien für das Kind F. teilweise aufgelöst (Nr. 1) und das Recht der Entscheidungen
a) dem Kind F. nach ärztlicher Verordnung die für die Behandlung seines hyperkinetischen Syndroms verschriebenen Medikamente, insb. Ritalin oder Medikinet, zu verabreichen und
b) das Kind sich einer begleitenden Verhaltenstherapie unterziehen zu lassen,
auf die Mutter allein übertragen (Nr. 2 des Beschlusses).
Gegen den ihm am 12.3.2002 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 22.3.2002 Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 15.4.2002, eingegangen am 17.4.2002, begründet. Er beantragt, das Recht der Entscheidungen,
a) dem Kind F. nach ärztlicher Verordnung die für die Behandlung eines hyperkinetischen Syndroms verschriebenen Medikamente, insb. Ritalin oder Medikinet, zu verabreichen und
b) das Kind sich einer begleitenden Verhaltenstherapie unterziehen zu lassen bzw. dies zu unterlassen, wird auf den Vater alleine übertragen.
Er bestreitet, dass das Kind konzentrationsschwach sei. Die Verabreichung des Medikamentes Ritalin sei deshalb überflüssig. Dieses Medikament habe außerdem massive negative Nebenwirkungen und berge die Gefahr in sich, süchtig zu machen. Außerdem macht er geltend, dass es fehlerhaft gewesen sei, das bereits angeordnete Sachverständigengutachten nicht einzuholen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen, und verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II. Die zulässige Beschwerde (§§ 621 Abs. 1 Nr. 1, 621e Abs. 1 und 3 ZPO) ist unbegründet.
1. Das AG hat dem Antragsgegner gem. § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB einen Teilbereich der elterlichen Sorge entzogen und diesen Teilbereich der Antragstellerin übertragen. Ob die Teil-Entziehung der elterlichen Sorge erforderlich war oder ob es im vorliegenden Fall ausgereicht hätte, die für die Behandlung des hyperkinetischen Syndroms notwendigen Entscheidunge...