Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbefugter Abruf personenbezogener Daten aus polizeilicher Vorgangsdatei
Leitsatz (amtlich)
BayDSG Art. 2 I, 4 I, 8 III 1, 10, 14, 15 I, 37 I Nr. 3; BDSG § 1 II Nr. 2; BayPAG Art. 48
1.
Der Abruf geschützter personenbezogener Daten, die nicht offenkundig sind, ist nur zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Aufgabenerfüllung der abrufenden Stelle oder Person erforderlich ist.
2.
Der Ordnungswidrigkeitentatbestand des unbefugten Abrufs geschützter personenbezogener Daten iSv. Art. 37 I Nr. 3 BayDSG ist bereits mit Ausführung der Abfrage vollendet; darauf, ob der Abruf auch zu einer Verschaffung geschützter personenbezogener Daten geführt hat, kommt es nicht an.
Normenkette
BayDSG Art. 2 I; BDSG § 1 II Nr. 2; BayPAG Art. 48
Tatbestand
Das AG verurteilte den Betr., einen Polizeibeamten, am 20.01.2010 wegen vorsätzlichen Abrufs geschützter personenbezogener nicht offenkundiger Daten in zwei Fällen, davon in einem Fall in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen, zu zwei Geldbußen in Höhe von jeweils 300 Euro, weil er jeweils Abfragen in dem Polizeirecherchesystem ,IGVP' durchführte, ohne dass hierfür eine dienstliche Veranlassung bestand. Mit seiner gegen seine Verurteilung gerichteten Rechtsbeschwerde rügte der Betr. die Verletzung materiellen Rechts, wobei er sich insbesondere gegen die Feststellungen zu seiner Täterschaft mit der Begründung wendet, dass auch ein anderer Beamter die Daten unter seiner Kennung abgerufen haben könne; im Übrigen scheide ein Verstoß gegen das BayDSG auf Grund der Einverständniserklärung des Dateninhabers sowie deshalb aus, weil ein Abruf von Daten nicht erfolgt sei. Das - nach antragsgemäßer Gewährung von Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde - zulässige Rechtsmittel (§ 79 I 1 Nr. 1 OWiG) erwies sich als unbegründet.
Entscheidungsgründe
1)
Die Schuldspruch des angefochtenen Urteils hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Nach den auf Grund der ausschließlich erhobenen Sachrüge für den Senat bindenden Feststellungen des AG hat der Betr. in zwei Fällen den Tatbestand des Art. 37 I Nr. 3 1. Alt. BayDSG sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht erfüllt, da er geschützte personenbezogene Daten, die nicht offenkundig sind, unbefugt abgerufen hat.
a)
Auf den festgestellten Sachverhalt ist zunächst das BayDSG und nicht das BDSG anwendbar. Das BDSG gilt nach § 1 II Nr. 2 BDSG für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen der Länder nur, soweit der Datenschutz nicht durch Landesgesetz geregelt ist und soweit sie entweder Bundesrecht ausführen oder als Organe der Rechtspflege tätig werden und es sich nicht um Verwaltungsangelegenheiten handelt. Durch diese Vorrangklausel für das Landesrecht soll ein Nebeneinander von Bundes- und Landesdatenschutz verhindert werden. Da das BayDSG nach Art. 2 I BayDSG für die "... Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch Behörden, Gerichte und sonstige öffentliche Stellen des Freistaats Bayern ..." gilt, wurde mit dem BayDSG eine eigene landesrechtliche Vollregelung des Datenschutzes geschaffen, so dass das BDSG im gesamten öffentlichen Bereich in Bayern unanwendbar ist (BayObLGSt 1998, 130/131 m.w.N.).
b)
Bei den im polizeilichen Abfragesystem IGVP gespeicherten Daten mit Informationen über laufende Ermittlungen handelt es sich um personenbezogene Daten i.S.d. Art. 4 I BayDSG, da sie Einzelangaben über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer natürlicher Personen enthalten.
c)
Diese im Recherchesystem der Polizei gespeicherten Daten waren auch nicht offenkundig. Auch wenn im Gesetz nicht ausdrücklich definiert ist, wann von einer Offenkundigkeit der Daten auszugehen ist und dies im Einzelnen kontrovers diskutiert wird ( Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch BayDSG ≪Stand: Juni 2009≫ Art. 37 Rn. 32 ff.), kann dies hier offen bleiben, denn jedenfalls handelt es sich bei den Daten der genannten Vorgangskartei um die Speicherung von Vorgängen, die eine polizeiliche Tätigkeit veranlasst haben und die daher - etwa im Gegensatz zu den von den zuständigen Behörden gespeicherten Kfz- und Halterdaten, die bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen an Jedermann übermittelt werden können (BayObLG NJW 1999, 1727/1728; OLG Hamburg DAR 1998, 149) - nur für den polizeiinternen Gebrauch bestimmt sind. Die betreffenden Daten bestehen somit aus weit über die Personalien der beteiligten Personen hinausgehenden Feststellungen, die auch der Kontrolle und Rechtfertigung polizeilichen Einschreitens, der Beweissicherung und als Hintergrundwissen für zukünftige polizeiliche Maßnahmen dienen. Es liegt auf der Hand, dass diese Daten in der Regel nur der Polizei selbst, allenfalls noch Behörden, keinesfalls aber einer unbestimmten Anzahl von anderen Personen zugänglich sein sollen und deshalb nicht offenkundig sind (BayObLGSt 1998, 130/131; 1999, 85/87).
d)
Solche nicht offenkundigen personenbezogenen Daten hat der B...