Entscheidungsstichwort (Thema)
Bußgeldverfahren. Freispruch. Urteilsgründe. Beweiswürdigung. lückenhaft. Darstellungsmangel. Zweifel. Zweifelssatz. Datei. Daten. Datenschutz. Datenbank. Datenerhebung. Datenabfrage. Datenbankabfrage. Datenabruf. Datenabgleich. personenbezogen. befugt. unbefugt. bereichsspezifisch. Polizei. Polizeibeamter. Privatperson. Dienstvergehen. Strafverfolgung. Anfangsverdacht. Auskunftssystem. Recherchesystem. INPOL. IGVP. EWO. AZR. ZEVIS. Tatbegriff. Aufhebung. Hauptverhandlung. Polizeivollzugsbeamter. sachlicher Zusammenhang. Verletzung materiellen Rechts. Zulassung. Beurteilung. dritte Person
Leitsatz (amtlich)
1. Bei den in den automatisierten polizeilichen Recherchesystemen ,Integrationsverfahren Polizei' [IGVP] und ,Informationssystem der Polizei' [INPOL] gespeicherten personenbezogenen Daten handelt es sich um nicht offenkundige personenbezogene Daten, deren unbefugter Abruf den Bußgeldtatbestand des Art. 37 I Nr. 3 BayDSG a.F. (vgl. nunmehr Art. 23 I Nr. 1c BayDSG n.F.) erfüllt (Festhaltung u.a. an BGH, Urt. v. 04.06.2013 - 1 StR 32/13 = BGHSt 58, 268 = NJW 2013, 2530 = StraFo 2013, 369 = DuD 2013, 666 = BGHR BDSG § 43 Abs 2 Nr 1 Daten, personenbezogene - nicht allgemein zugänglich 1 = StV 2014, 221 = NStZ-RR 2014, 187 = NZV 2014, 369 und OLG Bamberg, Beschl. v. 27.04.2010 - 2 Ss OWi 531/10 = DuD 2010, 661 = NStZ-RR 2011, 27 = DAR 2011, 214). (Rn. 11)
2. Der Abruf nicht offenkundiger personenbezogener Daten in polizeilichen Recherchesystemen durch einen Polizeibeamten ist nur dann zulässig, wenn die Datenkenntnis aus seiner Sicht zur polizeilichen Aufgabenerfüllung notwendig ist. Fehlt ein dienstlicher Anlass oder handelt der Betroffene im privaten Interesse, erfolgt der Datenabruf unbefugt im Sinne von Art. 8 III 1 BayDSG a.F. (Anschluss an OLG Bamberg a.a.O.). (Rn. 12)
3. Bei einem im Übrigen rechtmäßigen Datenabgleich durch einen Polizeibeamten vermag allein ein Handeln außerhalb seines örtlichen und sachlichen Dienstbereichs einen Verstoß gegen Art. 37 I Nr. 3 BayDSG a.F. nicht zu begründen, sofern sich eine Zuständigkeit jedenfalls aus Art. 3 I POG herleiten lässt. Kann sich der Polizeibeamte nicht auf eine Ausnahme nach Art. 3 II Nrn. 1- 4 POG berufen, kommt ausschließlich eine disziplinarische Ahndung als Dienstvergehen in Betracht. (Rn. 15)
Normenkette
BayDSG Art. 4 Abs. 1, Art. 8 Abs. 3 S. 1, Art. 16 Abs. 1, Art. 37 Abs. 1 Nr. 3; BayPAG Art. 43 Abs. 1 S. 1; BayPOG Art. 3; BayMeldeG Art. 34 Abs. 1, 5; BayBG Art. 124 Abs. 2; StVG § 39; StPO §§ 98c, 161, 163, 261, 264, 267 Abs. 1 Sätze 1, 5; OWiG §§ 20, 46 Abs. 1, §§ 53, 71 Abs. 1, § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 6, § 80 Abs. 2 Nr. 2, § 80a Abs. 1, 3 S. 1
Tatbestand
Mit Bußgeldbescheid vom 18.09.2017 setzte das zuständige Polizeipräsidium gegen den Betr. wegen 16 tatmehrheitlicher Verstöße gegen Art. 37 I Nr. 3 BayDSG a.F. (hier und im Folgenden in der bis zum 24.05.2018 gültigen Fassung vom 23.07.1993 [GVBl. S. 498]) Einzelgeldbußen in Höhe von jeweils 100 EUR fest, weil der Betr. ohne dienstliche Veranlassung Datenabfragen im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem IGVP bzw. im elektronischen Informationssystem der Polizei INPOL getätigt habe, deren Kenntnis zur Erfüllung der ihm obliegenden polizeilichen Aufgaben nicht erforderlich gewesen sei. Mit Urteil vom 07.03.2018 hat das AG den Betr. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Nach tabellarischer Auflistung der im Bußgeldbescheid erhobenen Tatvorwürfe stellte das AG folgenden Sachverhalt fest: "Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht ergänzend folgendes fest: Die Datenbankabfragen des Betr. im Zeitraum vom 12.06.2016 bis 06.12.2016 dienten auch der Ermittlung im Rahmen möglicher Straftaten wegen Steuerdelikten, Verstößen gegen das Pflichtversicherungsgesetz oder das Freizügigkeitsgesetz/EU sowie möglicher Verstößen gegen öffentlich-rechtliche Normen wegen Überlegung/unberechtigter Beherbergung/möglicher Untervermietung und entsprechende gefahrenabwehrrechtlicher Maßnahmen. Der Betr. ist stellvertretender Zugführer einer Hundertschaft der Polizeiinspektion Ergänzungsdienste des zuständigen Polizeipräsidiums." Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das AG u.a. aus: "Die festgestellten ergänzenden Erkenntnisse beruhen auf den eigenen Angaben des Betr., der angab, entsprechende Beobachtungen hinsichtlich ausländischer Fahrzeuge, die in seiner Nachbarschaft in P. geparkt haben, an die zuständigen Stellen weiter geleitet zu haben, welche jedoch nicht reagiert hätten, woraufhin er selbst im Rahmen seiner Tätigkeit als Polizeibeamter Ermittlungen zur Aufklärung der der in Rede stehenden Straftaten, Ordnungswidrigkeiten oder gefahrenabwehrrechtlich relevanter Verstöße aufgenommen habe. Entsprechende Anzeigen des Betr. sind durch die in der Hauptverhandlung verlesenen Dokumente dokumentiert und zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden. Der einvernommene Zeuge U. bestätigte ebenfalls, dass entsprechende Anzeigen des Betr. bei den zuständigen Stellen eingegangen se...