Leitsatz (amtlich)

Beauftragt eine am Sitz des Prozessgerichts nicht ansässige Gesellschaft einen am Ort ihres ursprünglichen Unternehmenssitzes niedergelassenen Rechtsanwalt mit der außergerichtlichen und nach Verlegung des Unternehmenssitzes mit der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Ansprüche, so sind die Terminreisekosten des Rechtsanwalts jedenfalls dann uneingeschränkt zu erstatten, wenn sie die mit einem hypothetischen Anwaltswechsel verbundenen Kosten nicht übersteigen.

 

Normenkette

RVG Nr. 7004 VV Anl. 1

 

Verfahrensgang

LG Aschaffenburg (Beschluss vom 13.02.2014; Aktenzeichen 12 O 546/12)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Aschaffenburg vom 13.2.2014 - 12 O 546/12 - dahingehend abgeändert, dass die von der Beklagtenpartei an die Klagepartei gem. § 106 ZPO nach dem rechtswirksamen Vergleich des LG Aschaffenburg vom 28.11.2013 zu erstattenden Kosten auf

1.404,82 EUR

(in Worten: eintausendvierhundertundvier 82/100 EUR)

nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB hieraus seit 7.1.2014 festgesetzt werden.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 370,48 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Im zugrunde liegenden Rechtsstreit hatte die in K. ansässige Klägerin mittels eines in H. ansässigen Prozessbevollmächtigten die Beklagte vor dem LG Aschaffenburg auf Zahlung eines Betrags i.H.v. 6.666,67 EUR aus der Beteiligung an einer atypischen stillen Gesellschaft in Anspruch genommen. Die Beklagte hatte sich mit einem entgegenstehenden Schadensersatzanspruch aus der Vertragsanbahnung der Beteiligung verteidigt.

Ein auf den 28.11.2013 vor dem LG Aschaffenburg anberaumter Termin zur mündlichen Verhandlung wurde vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin wahrgenommen. Der Rechtsstreit wurde durch einen rechtwirksamen Vergleich zwischen den Parteien beendet, wobei sich die Parteien auf eine Verteilung der Kosten des Rechtsstreits von 20 % zu Lasten der Klägerin und von 80 % zu Lasten der Beklagten geeinigt haben.

Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat die Klägerin mit Antrag vom 31.12.2013 Kosten ihres Prozessbevollmächtigten geltend gemacht, bei denen sie Terminwahrnehmungskosten i.H.v. 668,94 EUR bestehend aus Reisekosten und Abwesenheitsgeldern in Ansatz gebracht hat.

Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.2.2014 berücksichtigte die Rechtspflegerin bei dem LG Aschaffenburg als der Klägerin zu erstattende Kosten neben den gesetzlichen Anwaltsgebühren und verauslagten Gerichtskosten auch zu erstattende Terminwahrnehmungskosten, diese jedoch nur i.H.v. 205,85 EUR, denen sie insbesondere anstelle der tatsächlich entstandenen Reisekosten fiktive Fahrtkosten für den Weg K. - Aschaffenburg zugrunde legte.

Gegen den ihr am 3.3.2014 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 3.3.2014, beim LG Aschaffenburg eingegangen am 7.3.2014, sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie die Nichtzuerkennung der tatsächlich entstandenen Reiskosten beanstandet.

Die Beklagte hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Eine Äußerung ist nicht eingegangen.

Das LG hat der sofortigen Beschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 9.4.2014 nicht abgeholfen und sie dem OLG Bamberg zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.2.2014, den Beschwerdeschriftsatz vom 3.3.2014 sowie den Nichtabhilfebeschluss vom 9.4.2014 Bezug genommen.

II. Die gem. § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1. Nicht zu beanstanden ist allerdings zunächst der an der ständigen Rechtsprechung orientierte Ansatz im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss: Beauftragt ein Unternehmen, das bei einem auswärtigen Gericht klagt, einen Rechtsanwalt, der weder am Gerichtsort noch am Unternehmenssitz der Partei ansässig ist, mit der Prozessführung, sind die Reisekosten des Rechtsanwalts regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten vom Unternehmenssitz zum Gerichtsort erstattungsfähig (vgl. BGH VersR 2012, 595; 2012, 593; 2011, 1584; OLG Bamberg JurBüro 2014, 28; OLG Nürnberg Rpfleger 2013, 360; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.6.2012 - 10 W 3/12 - juris).

Zutreffend ist auch, dass es für sich allein noch nicht als alleiniger Grund zur Beauftragung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten anzusehen ist, wenn eine Partei einen auswärtigen Rechtsanwalt nur deshalb wählt, weil sie mit ihm durch eine langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit verbunden ist. Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn Besonderheiten in der Sache selbst und ihrer Bearbeitung die Annahme rechtfertigen, dass am Ort des Prozessgerichts oder am Sitz der Partei keine zur sachangemessenen Prozessvertretung geeigneten Rechtsanwälte zugelassen sind (vgl. BGH NJW-RR 2009, 283 m.w.N.). Hierzu hat die Klägerin aber nicht hinreichend vorgetragen.

2. Über die fiktiven Rei...

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