Verfahrensgang

AG Kulmbach (Entscheidung vom 07.06.2010)

 

Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Kulmbach vom 7. Juni 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Kulmbach zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die ZBS im BayPVA verhängte gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 5.3.2010 wegen am 18.2.2010 um 14.50 Uhr auf der B 289 in der Gemarkung K. als Führer des Lkw (mit Anhänger) mit dem amtlichen Kennzeichen xxx begangener Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 23 km/h eine Geldbuße von 160 € sowie ein einmonatiges Fahrverbot. Den dagegen eingelegten Einspruch des Betroffenen verwarf das Amtsgericht Kulmbach mit Urteil vom 7.6.2010 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde; er rügt das Verfahren und die Verletzung sachlichen Rechts.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat schon mit der Sachrüge wegen Lückenhaftigkeit der Urteilsgründe (§ 267 StPO, § 71 Abs. 1 OWiG) zumindest vorläufigen Erfolg.

1) Das Amtsgericht führt zur Begründung seiner Säumnisentscheidung aus:

"Der Betroffene hat gegen den ... (in der Urteilsformel) ... bezeichneten Bußgeldbescheid form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.

Die Ladung, welche eine Belehrung über die Folgen eines nicht genügend entschuldigten Ausbleibens enthielt, wurde dem Betroffenen am 14.5.2010 ordnungsgemäß zugestellt.

Der Betroffene ist in der Hauptverhandlung nicht erschienen, das Ausbleiben ist nicht entschuldigt.

Der Einspruch wurde daher nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen."

2) Mit diesen Feststellungen und Erwägungen genügt der Tatrichter den gesetzlichen Anforderungen an die Urteilsgründe einer Säumnisentscheidung gemäß § 267 StPO, §§ 71 Abs. 1, 74 Abs. 2 OWiG nicht.

Auch im Bußgeldverfahren müssen die Urteilsgründe jedenfalls im Regelfall erkennen lassen, wie sich der Betroffene eingelassen hat, inwieweit der Tatrichter dieser Einlassung folgt und inwieweit sowie aus welchen Gründen er im Übrigen die Einlassung als widerlegt bzw. - hier - als ungenügend zur Entschuldigung seines Ausbleibens ansieht. Nur so wird gewährleistet, dass das Rechtsbeschwerdegericht die tatrichterliche Beweiswürdigung auf die Sachrüge hin auf Rechtsfehler überprüfen kann (vgl. KK-OWiG/Senge 3. Aufl. § 71 OWiG Rn. 107 f m.w.N.).

Entgegen diesen gesetzlichen Anforderungen entbehrt das angefochtene Urteil jeglicher konkreter, in sich geschlossener Darstellung der Einlassung des Betroffenen und insbesondere jeglicher sachgerechter Auseinandersetzung mit dieser, obwohl der Betroffene ausweislich Bl. 18 d. A. mit am Terminstag um 11.47 Uhr und damit gut 2 Stunden vor Erlass des angefochtenen Säumnisurteils (Sitzungsbeginn laut Protokoll: 14.00 Uhr) beim Amtsgericht Kulmbach eingegangenem Fax seines Verteidigers - unter durch Fettdruck, Schriftgröße und Position hervorgehobenem Hinweis auf die Dringlichkeit dieses Schriftsatzes angesichts der bevorstehenden, auf 13.45 Uhr anberaumten Hauptverhandlung - bei gleichzeitigem Terminsaufhebungsantrag mitgeteilt hatte, er sei "mit einer Magen-Darm-Grippe bettlägerig erkrankt und damit verhandlungsunfähig", und damit zur Rechtfertigung seines Ausbleibens grundsätzlich geeigneten Sachverhalt.

Schon wegen dieser Lückenhaftigkeit der Urteilsgründe kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.

Das Amtsgericht hat mit seiner demnach fehlerhaften Vorgehensweise nicht nur gegen einfaches Verfahrensrecht verstoßen (§ 267 StPO, § 71 Abs. 1 OWiG), sondern darüber hinaus auch den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör betreffend sein vollständiges Vorbringen zur Entschuldigung seines Ausbleibens am 7.6.2010 verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG).

3) Im Übrigen erweist sich auch die prozessordnungsgemäß erhobene Formrüge rechtsfehlerhafter Anwendung des Begriffs des "nicht genügend entschuldigten Ausbleibens" im Sinne des § 74 Abs. 2 OWiG als begründet.

Grundsätzlich haben zwar die Prozessbeteiligten keinen Anspruch auf bestimmte Terminszeiten bzw. auf Verlegung eines ordnungsgemäß anberaumten Hauptverhandlungstermins.

Ob das Gericht einem konkreten bzw. in Form einer Entschuldigung schlüssig vorgetragenen Terminsverlegungsantrag stattgibt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Es muss aber dennoch neben dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung sowie sonstigen dienstlichen Erfordernissen auch die persönlichen Belange des Betroffenen beachten.

Für die Frage des Entschuldigtseins auf Grund geltendgemachter persönlicher Umstände - hier Bettlägerigkeit infolge Magen-Darm-Erkrankung - kommt es regelmäßig nicht darauf an, ob sich der Betroffene nach Auffassung des Tatrichters genügend entschuldigt hat, sondern nur darauf, ob er tatsächlich entschuldigt ist. Bei Vortrag konkreter Hinweise auf einen triftigen Entschuldigungsgrund ist der Tatrichter im Zweifel gehalten, Nachforschungen im Wege des Freibeweises anzustellen und hierzu no...

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