Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsbeschwerde. Sachrüge. Beschlussverfahren. Bußgeldbescheid. Geldbuße. Bußgeld. Fahrverbot. Regelfahrverbot. Fahrverbotsdauer. Fahrverbotsbeschränkung. Wechselwirkung. Prozesshandlung. Prozesserklärung. Einspruch. Einspruchserklärung. Einspruchsbeschränkung. Anfechtungsumfang. Beschränkungsumfang. Rechtsfolgenausspruch. Schuldform. Bedingung. bedingungsfeindlich. Widerspruchsfreiheit. Zweifel
Leitsatz (amtlich)
1. Wie die Einlegung des Einspruchs selbst ist auch die Beschränkung des Einspruchs als Prozesshandlung bedingungsfeindlich. Ergibt sich aus Erklärungen des Betroffenen oder seiner Verteidigung, dass (weiterhin) auch die Schuld oder deren Umfang angegriffen wird, ist die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam (u.a. Anschluss an OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.3.2016 - 2 Ss OWi 52/16 = NStZ-RR 2016, 152; BayObLG, Beschl. v. 04.09.2000 - 1 ObOWi 443/00 [bei [...]]).
2. Eine über die Beschränkung auf den sich aus Geldbuße und Fahrverbotsanordnung zusammensetzenden Rechtsfolgenausspruch des Bußgeldbescheids in seiner Gesamtheit hinausgehende Einspruchsbeschränkung isoliert auf die Frage der Fahrverbotsanordnung, der Fahrverbotsdauer oder der Fahrverbotsbeschränkung auf Kraftfahrzeuge einer bestimmten Art scheidet aufgrund der engen Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Geldbuße grundsätzlich aus (u.a. Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.11.2016 - 2 RBs 157/16 = DAR 2017, 92 = BA 54 [2017], 45; OLG Rostock NZV 2002, 137; OLG Hamm NZV 2002, 142; BayObLG NZV 2000, 50).
Normenkette
StVG § 25 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Abs. 2a; StVO § 41 Abs. 2, § 49 Abs. 3 Nr. 4; StPO §§ 34a, 260 Abs. 3, §§ 353, 358 Abs. 2, § 473 Abs. 1 S. 1; OWiG § 46 Abs. 1, § 66 Abs. 1, § 67 Abs. 2, § 69 Abs. 1 S. 1, § 70 Abs. 1, §§ 72, 79 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-3, Abs. 6; BKatV § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 4; BKat Nr. 11.3.9
Tenor
I.
Auf die Rechtsbeschwerden des Betroffenen und der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Amtsgerichts vom 22. Dezember 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
II.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt hat mit Bußgeldbescheid vom 13.09.2016 gegen den Betroffenen wegen einer am 17.06.2016 als Führer eines Pkw auf einer Autobahn begangenen vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 62 km/h eine Geldbuße von 880 Euro festgesetzt und gegen ihn wegen eines groben Pflichtenverstoßes im Sinne der §§ 25 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 26a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StVG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. lfd.Nr. 11.3.9 der Tabelle 1c zum BKat ein Fahrverbot für die Dauer von zwei Monaten nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG angeordnet. Mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem Verteidigerschriftsatz vom 02.12.2016 ließ der Betroffene erklären, dass sein Einspruch vom 15.09.2016 gegen den Bußgeldbescheid vom 13.09.2016 "auf die Rechtsfolgen beschränkt" und angeregt werde, "im Beschlusswege das Fahrverbot auf einen Monat zu reduzieren bei einer Feststellung von einem fahrlässigen Verstoß", wobei "im Falle dessen [...] auf eine Begründung verzichtet" werde, da der Betroffene beabsichtige, "das Fahrverbot über die Festtage abzuleisten". Das Amtsgericht hat hierauf mit Beschluss vom 22.12.2016 "unter Bezugnahme auf den ansonsten rechtskräftigen Bußgeldbescheid vom 13.9.2016 [...] das FV auf 1 Monat festgesetzt" und dem Betroffenen die Kosten des Verfahrens sowie seine notwendigen Auslagen auferlegt. Gegen diese im Beschlussverfahren nach § 72 OWiG ergangene Entscheidung wenden sich gleichermaßen die Staatsanwaltschaft und der Betroffene mit ihren jeweils frist- und formgerecht eingelegten und mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts begründeten Rechtsbeschwerden.
II.
Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG bzw. nach den §§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthaften Rechtsbeschwerden sind jeweils zulässig und begründet, weil das Amtsgericht den Umfang seiner Prüfungs- und Feststellungspflicht verkannt hat, indem es bei seiner Beschlussfassung nach § 72 OWiG - was das Rechtsbeschwerdegericht auf die Sachrügen von Amts wegen zu prüfen hat - schon zu Unrecht von einer wirksamen Einspruchsbeschränkung nach § 67 Abs. 2 OWiG auf den Rechtsfolgenausspruch des Bußgeldbescheids vom 13.09.2016 ausgegangen ist; es hat deshalb rechtsfehlerhaft nicht über alle im Rechtssinne angefochtenen Bestandteile des Bußgeldbescheids entschieden.
1. Zwar enthält der Verteidigerschriftsatz vom 02.12.2016 die einleitende Formulierung, dass der Einspruch "auf die Rechtsfolgen beschränkt" werde. Schon im Rahmen der folgenden "Anregung" einer Entscheidung im Beschlussverfahren wird seitens der Verteidigung aber deutlich gemacht, dass es dem Betroffenen nicht allein um die Reduzierung der im Bußgeldbescheid angeordneten Fahrverbotsdauer geht, sondern auch um die "F...