Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz, Software, Motorsteuerungssoftware, Fahrzyklus

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, §§ 280, 311 Abs. 3, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 823 Abs. 2, § 826; EG-FGV § 25 Abs. 3; FZV § 3 Abs. 1; StGB § 263; StVG § 1 Abs. 1 S. 2; UWG § 5

 

Verfahrensgang

LG Bayreuth (Urteil vom 21.03.2019; Aktenzeichen 21 O 675/18)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 21.03.2019, Az. 21 O 675/18, wird zurückgewiesen.

II. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 21.03.2019, Az. 21 O 675/18, abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen des Einbaus einer in ihrem Fahrzeug ursprünglich eingebauten Software, welche die Stickoxidwerte (NOx) auf dem Prüfstand zur Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte optimiert, geltend.

Die Klägerin erwarb am xx. April 2015 das Gebrauchtfahrzeug (Kilometerstand bei Kauf: 20.500 km) A. vom Autohaus B. (=X. GmbH) zum Preis von 27.950,01 Euro brutto. Das Fahrzeug verfügt über einen Dieselmotor mit 2,0 Liter Hubraum vom Typ Z. (Abgasnorm 5). Für das streitgegenständliche Fahrzeug war eine EG-Typgenehmigung erteilt worden, auf deren Basis die Zulassung des Fahrzeugs erfolgte (§ 1 Abs. 1 S. 2 StVG; § 3 Abs. 1 FZV).

Mit Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 21.03.2019 wurde die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 21.007,45 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.11.2018 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen PKW A.. Weiter wurde festgestellt, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befindet. Darüber hinaus wurde die Beklagte verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 Euro nebst Zinsen freizustellen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im Endurteil vom 21.03.2019 wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Ergänzend ist auszuführen, dass die Klägerin in 1. Instanz im Einzelnen dargelegt hat, dass die Beklagte das streitgegenständliche Fahrzeug nicht ohne Kenntnis des Vorstandes mit der sogenannten Prüfstandsentdeckungssoftware versehen habe. Die Beklagte habe zur Erlangung der Typgenehmigung und Schadstoffklasseneinstufung die erforderliche Prüfstandsmessung manipuliert. Bei Kenntnis der Manipulation wäre keine Genehmigung erfolgt. Dass es sich bei der von der Beklagten verwendeten Software um eine "unzulässige Abschalteinrichtung" im Sinne des Unionsrechts gehandelt habe, habe das Kraftfahrt-Bundesamt mit rechtskräftigem Bescheid vom 15.10.2015 festgestellt. Vorliegend habe die Beklagte die Klägerin darüber getäuscht, dass das Fahrzeug auf dem Prüfstand eine bestimmte Menge Stickoxide ausstoße, die zu einer EU-Typgenehmigung und eine bestimmte Schadstoffklasseneinstufung geführt hätten, obwohl das Prüfungsverfahren mit Hilfe der Motorsteuerungssoftware manipuliert gewesen sei. Auf diese Weise habe die Beklagte den weiteren Absatz solcher Fahrzeuge gefördert. Die Klägerin, der es auf die Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugs angekommen sei, habe davon ausgehen müssen, dass ihr Fahrzeug die Schadstoffgrenze auch im Straßenbetrieb einhalte. Der Klägerin sei es weiter darauf angekommen, ein wertstabiles Fahrzeug mit geringem Kraftstoffverbrauch zu erwerben. Ein Schaden sei bereits durch den Abschluss des Kaufvertrages entstanden; denn ein Schaden sei auch dann gegeben, wenn eine Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung erfolge oder eine Vermögensgefährdung durch Eingehung eines nachteiligen Geschäfts eintrete. Die Beklagte habe durch ihr vorsätzliches Verhalten nicht nur gegen die guten Sitten, sondern auch gegen (Straf-)Gesetze (§§ 263, 325 StGB) verstoßen. Dies sei angesichts des offenbar verfolgten Zwecks erfolgt, zur Kostensenkung rechtlich und tatsächlich einwandfreie, aber teurere Lösungen zur Abgasreinigung zu vermeiden und mithilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandswerte Wettbewerbsvorteile zu erhalten. Auch lägen Verstöße gegen § 5 UWG sowie §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV vor.

Die Beklagte hat in 1. Instanz im Einzelnen weiter ausgeführt, die Abgasrückführung sei nicht Teil des Emissionskontrollsystems, sondern eine hiervon zu trennende, innermotorische Maßnahme, die zur Kontrolle der Verbrennung führe. Die Software bewirke nicht, dass innerhalb des normalen Fahrbetriebs die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringert werde.

Es liege auch keine als sittenwidrig zu qualifizierende Handlung der Beklagten vor. Die Beklagte könnte nur da...

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