Leitsatz (amtlich)

1. § 47 Abs. 1 StGB stellt eine speziell auf die Frage der Anordnungsvoraussetzungen für die Verhängung von Freiheitstrafen unter sechs Monaten zugeschnittene einfach-gesetzliche Konkretisierung des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes dar. Ist die Unerlässlichkeit der Verhängung einer 'kurzen' Freiheitsstrafe im Sinne des § 47 Abs. 1 StGB im Einzelfall zu bejahen, besteht deshalb für darüber hinausgehende Verhältnismäßigkeitserwägungen weder Raum noch Notwendigkeit.

2. Erachtet das Tatgericht - etwa im Hinblick auf Vorbelastungen, Rückfallgeschwindigkeit und Bewährungsversagen - die Verhängung einer 'kurzen' Freiheitsstrafe im Sinne des § 47 Abs. 1 StGB als zur Einwirkung auf den Angeklagten für unerlässlich, darf von ihrer Anordnung nicht unter Berufung auf das Übermaßverbot mit der Begründung abgesehen werden, dass der Angeklagte in diesem Fall mit dem sicheren Widerruf früherer Bewährungsstrafen zu rechnen hätte.

 

Normenkette

StGB § 47 Abs. 1, § 56 Abs. 1; StPO § 267 Abs. 3 S. 2 Hs. 2

 

Tenor

  • I.

    Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts vom 14. November 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist; mit aufgehoben wird die Kostenentscheidung des genannten Urteils.

  • II.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 28.01.2014 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Daneben hat es die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts am 14.11.2014 im Rechtsfolgenausspruch unter Beibehaltung der erstinstanzlich verhängten isolierten Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB dahin "abgeändert", dass es den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt hat. Gegen das Berufungsurteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer "auf den Rechtsfolgenausspruch" beschränkten Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.

Die zulässige, ausweislich der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs über diesen hinaus wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs in dem von der Revision verfolgten Umfang.

1. Die Verurteilung des Angeklagten zu einer Geldstrafe hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters, weil nur er in der Lage ist, sich aufgrund der Hauptverhandlung einen umfassenden Eindruck von Tat und Täter zu verschaffen. Ihm obliegt deshalb auch die Entscheidung darüber, ob besondere Umstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe im Sinne von § 47 Abs. 1 StGB zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Die Höhe der vom Tatrichter für den konkreten Fall bestimmten Strafe kann vom Revisionsgericht anhand der im Urteil dargelegten Umstände deshalb nicht ohne weiteres nachgeprüft werden. Bei der Gewichtung der einzelnen Umstände spielen vielmehr die aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung und dem Eindruck von der Persönlichkeit des Angeklagten gewonnenen Eindrücke eine Rolle, die sich einer exakten Richtigkeitskontrolle entziehen und schon deshalb eine volle Nachprüfung des Strafausspruchs durch das Revisionsgericht ausschließen.

b) Das Revisionsgericht hat auf die Sachrüge jedoch zu überprüfen und gegebenenfalls einzugreifen, wenn bei der Entscheidung Rechtsfehler unterlaufen sind, etwa weil das Tatgericht einschlägige Rechtsbegriffe verkannt hat, von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist, seine Strafzumessungserwägungen unvollständig, in sich widersprüchlich oder aus anderen Gründen fehlerhaft sind, insbesondere rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Acht gelassen wurden, oder wenn sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit nach oben oder unten inhaltlich löst, dass ein grobes Missverhältnis zwischen Schuld und Strafe besteht. Denn in diesem Rahmen kann eine "Verletzung des Gesetzes" im Sinne des § 337 StPO vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (vgl. grundlegend BGHSt 34, 345 = NJW 1987, 3014 = wistra 1987, 287 = StV 1987, 337 sowie zuletzt Senatsurteil vom 24.09.2014 - 3 Ss 94/14 [bei [...]] = BeckRS 2014, 19902).

2. Auch bei Berücksichtigung der nur eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung kann der Strafausspruch keinen Bestand haben.

a) Das Landgericht gelangt zwar, wenn auch mit nur sehr knappen Erwägungen, im Hinblick auf die mehrfachen einschlägigen Vorstrafen des ...

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