Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufung. Berufungsbeschränkung. Rechtsfolgenausspruch. Revision. Sachrüge. Feststellung. Schuld. Schuldgehalt. Schuldfeststellung. Unrechtsgehalt. Schuldfähigkeit. Kinderpornographie. Pädophilie

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschränkung einer Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch (§ 318 S. 1 StPO) ist unwirksam, wenn die Tatsachenfeststellungen im amtsgerichtlichen Urteil unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so dürftig sind, dass sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht erkennen lassen oder wenn offen bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat (Anschluss an BGH, Urt. v. 02.12.2015 - 2 StR 258/15 [bei [...]] sowie Festhaltung u.a. an OLG Bamberg, Beschl. v. 20.12.2012 - 3 Ss 136/12 = OLGSt StPO § 318, Nr. 20 = BA 50 [2013], 88 = VM 2013, Nr. 36 = ZfS 2013, 589; OLG Bamberg, Urt. v. 11.03.2015 - 3 OLG 8 Ss 16/15 = VM 2015, Nr. 21 = DAR 2015, 273 = BA 52 [2015], 217 = OLGSt StPO § 318 Nr. 25 und 25.06.2013 - 3 Ss 36/13 = DAR 2013, 585 = OLGSt StVG § 21 Nr. 10).

2. Hiervon ist u.a. auch dann auszugehen, wenn sich aus dem amtsgerichtlichen Urteil Anhaltspunkte für eine relevante Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit i.S.d. §§ 20, 21 StGB ergeben (hier: Pädophilie, verbunden mit einschlägiger Vorverurteilung, Bewährungsversagen und hoher Rückfallgeschwindigkeit eines ansonsten sozial integrierten Angeklagten), das Amtsgericht aber nähere Feststellungen hierzu nicht trifft.

 

Normenkette

StGB §§ 20-21, 56 Abs. 3, § 184b; StPO § 318 S. 1

 

Tatbestand

Das AG verurteilte den Angekl. wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Geldstrafe. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der StA hat das LG den Angekl. unter Verwerfung der weitergehenden Berufung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Die hiergegen seitens des Angekl. eingelegte und mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete Revision führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Revision des Angekl. (§§ 333, 341 I, 344, 345 I StPO) hat bereits auf die Sachrüge Erfolg, sodass es eines Eingehens auf die formellen Rügen nicht mehr bedarf. Das LG ist zu Unrecht von der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen und hat deshalb keine eigenen Feststellungen zum Schuldspruch getroffen. Dies hat das Revisionsgericht aufgrund der Sachrüge von Amts wegen zu berücksichtigen.

1. Die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung gemäß § 318 S. 1 StPO auf den Rechtsfolgenausspruch ist davon abhängig, ob die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils eine hinreichende Grundlage für die Rechtsfolgenentscheidung bilden. Dies ist dann zu verneinen, wenn die Urteilsfeststellungen des Ausgangsgerichts zum Schuldspruch so weitgehende Lücken aufweisen, dass sich Art und Umfang der Schuld nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maße bestimmen lassen. Hiervon ist auszugehen, wenn die Tatsachenfeststellungen im Ersturteil unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so dürftig sind, dass sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht erkennen lassen (BGH, Urt. v. 02.12.2015 - 2 StR 258/15 [bei [...]]; OLG Bamberg, Beschl. v. 20.12.2012 - 3 Ss 136/12 = OLGSt StPO § 318, Nr. 20 = BA 50 [2013], 88 = VM 2013, Nr. 36 = ZfS 2013, 589; OLG Bamberg, Urt. v. 11.03.2015 - 3 OLG 8 Ss 16/15 = VM 2015, Nr. 21 = DAR 2015, 273 = BA 52 [2015], 217 = OLGSt StPO § 318 Nr. 25 und v. 25.06.2013 - 3 Ss 36/13 = DAR 2013, 585 = OLGSt StVG § 21 Nr. 10, jeweils m.w.N.). Gleiches gilt, wenn nach den getroffenen Feststellungen des Ersturteils offen bleibt, ob sich der Angekl. überhaupt strafbar gemacht hat (BGH a.a.O. m.w.N.).

2. Derartige Darstellungsmängel haften dem amtsgerichtlichen Urteil an, sodass das LG nicht von der Wirksamkeit der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgehen durfte.

a) Entgegen der Auffassung der Revision [...] sind die Feststellungen im amtsgerichtlichen Urteil zur Tatbestandsverwirklichung, insbesondere zur subjektiven Tatseite, allerdings noch ausreichend. Zwar verhält es sich nicht ausdrücklich zum Vorstellungsbild des Angekl., der Vorsatz lässt sich aber zwanglos den weiteren Ausführungen der Urteilsgründe entnehmen, was ausreichend ist (vgl. BGH NJW 2015, 3178 = StraFo 2015, 478 = NStZ 2015, 700 = BGHR StGB § 252 Gewalt 2 = StV 2016, 284). Aus dem Ersturteil ergibt sich, dass am 12.11.2015 auf dem Notebook des Angekl. kinderpornographische Dateien von der Polizei "festgestellt" wurden. Es teilt weiter mit, dass der Angekl. 9 dieser Dateien am 05.12.2014 auf dem Gerät "abgespeichert hatte". Schon daraus lässt sich zumindest ansatzweise ableiten, dass er sie auch zur Kenntnis genommen hatte. Im Rahmen der Strafzumessung werden die näheren Umstände der Abspeicherung erläutert, wonach die Einlassung des Angekl., die Bilder seien ihm ohne Aufforderung zugeschickt worden und er habe "dann einfach vergessen", diese zu löschen, nicht widerlegt werden könne...

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