Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer hypothetischen Einwilligung des Patienten

 

Verfahrensgang

LG Bamberg (Urteil vom 26.11.2002; Aktenzeichen 1 O 436/00)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG Bamberg vom 26.11.2002 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 5.500 Euro abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist Sozialversicherungsträger im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung für den am 19.8.1934 geborenen …, wohnhaft … . Sie macht aus übergegangenem Recht gem. § 116 SGB X bezifferte materielle Schadensersatzansprüche i.H.v. 22.692,71 Euro (entspricht 44.383,08 DM) geltend und will festgestellt haben, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtliche unfallbedingten Kosten zu ersetzen, die ihr in Zukunft aufgrund der iatrogenen Sigmaperforation im Rahmen einer Darmspiegelung mit Polypenabtragung am 20.2.1997 bei ihrem Versicherten noch entstehen. Das LG hat die nicht auf Behandlungsfehler, sondern nur auf die Aufklärungsrüge gestützte Klage im Hinblick auf die Angaben des Beklagten zu 2) im Rahmen einer von Amts wegen gem. § 448 ZPO durchgeführten Parteieinvernahme abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Die Beklagten begehren die Zurückweisung der Berufung der Klägerin.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin (§§ 511 ff. ZPO) bleibt in der Sache ohne Erfolg. Denn das LG hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage – zumindest i.E. – zu Recht als unbegründet abgewiesen.

Dabei geht der Senat von den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil aus (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO); Änderungen oder Ergänzungen sind nicht veranlasst.

1. Die vom LG angenommene rechtfertigende Einwilligung des Versicherten in die am 20.2.1997 vorgenommene Darmspiegelung mit Polypenabtragung hält der Senat nicht für ordnungsgemäß festgestellt. Darauf kommt es jedoch letztlich nicht an. Denn die Beklagten können sich zumindest auf eine hypothetische Einwilligung des Patienten berufen.

a) In Übereinstimmung mit dem LG ist der Senat der Auffassung, dass das alleinige ursprüngliche Vorbringen der Beklagten, dass über die Folgen einer coloskopischen Polypektomie nicht aufgeklärt werden musste, noch kein Geständnis i.S.d. § 288 ZPO hinsichtlich einer unterbliebenen Aufklärung enthält. Auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil insoweit wird verwiesen.

b) Der Senat hält die im Rahmen der Parteieinvernahme des Beklagten zu 2) geschilderte Aufklärung auch für rechtzeitig. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Patient im Zeitpunkt des Aufklärungsgesprächs etwa bereits mit der Aufnahme der Salzwasserlösung begonnen hätte und damit ein Ablauf bis hin zur Operation in Gang gesetzt worden wäre, dem er sich nur noch schwer hätte entziehen können. Auch die Entscheidung des BGH (BGH v. 25.3.2003 – VI ZR 131/02, MDR 2003, 112 = BGHReport 2002, 1059 = NJW 2003, 1012) rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Dort heißt es nämlich: „Je nach den Vorkenntnissen des Patienten von dem bevorstehenden Eingriff kann bei stationärer Behandlung eine Aufklärung im Verlauf des Vortages grundsätzlich genügen …”. Davon geht der Senat hier wegen der schon einmal bei … durchgeführten Polypenabtragung (vgl. unten 2.) aus.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch nicht der Inhalt des Aufklärungsgesprächs dokumentationspflichtig. Selbst wenn der schriftliche und vom Patienten und vom aufklärenden Arzt unterzeichnete Aufklärungsbogen eine Einzelheit nicht enthält, kann diese noch durch zulässige andere Beweismittel bewiesen werden.

d) Die Beweislast für eine genügende Aufklärung liegt beim Arzt (vgl. Palandt, BGB, 61. Aufl., § 823 BGB Rz. 50), hier also bei den Beklagten. Diesen Beweis sieht das LG als durch die Parteiangaben des Beklagten zu 2) geführt. Es macht jedoch keine Angaben dazu, woraus es die gewisse Anfangswahrscheinlichkeit für eine Parteieinvernahme von Amts wegen gem. § 448 ZPO (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 448 ZPO Rz. 2) entnimmt. Solche Anhaltspunkte sind auch nicht ersichtlich, zumal der Aufklärungsbogen vom 19.2.1997 keinerlei handschriftliche Angaben hinsichtlich eines möglichen Erfordernisses der Legung eines künstlichen Darmausgangs beinhaltet. Freilich hätte dasselbe Ergebnis über eine Zeugeneinvernahme des Beklagten zu 2) erzielt werden können. Dieser ist nämlich nicht passivlegitimiert. Er hat selbst den Eingriff nicht vorgenommen. Soweit er das Aufklärungsgespräch geführt hat, war er nur Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) des Krankenhauses. Dies reicht nicht für die Annahme seiner eigenen Passivlegitimation. Anders wäre dies ggf. dann, wenn der Beklagte zu 2) als behandelnde...

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