Leitsatz (amtlich)
1. Vor einer Koloskopie ist der Patient über das Risiko einer iatrogenen Perforation des Darmes bei der Untersuchung aufzuklären.
2. Für den Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung reicht ein Aufklärungsformular nicht aus, vielmehr ist grundsätzlich die Zeugenvernehmung oder Parteianhörung des aufklärenden Arztes geboten. Ist dessen Darstellung schlüssig und durch einen Aufklärungsbogen einiger Beweis für ein solches Gespräch erbracht, genügt es, wenn der Arzt seine regelmäßige Aufklärungspraxis schildert, damit ihm in der Regel geglaubt werden kann.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 383/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Senat beabsichtigt, den Gegenstandswert auf 51.955,00 EUR festzusetzen.
4. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 05.05.2020 wird aufgehoben.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter Risikoaufklärung und therapeutischer Aufklärung im Rahmen einer Darmspiegelung.
Die Klägerin hatte bereits 2013 eine Darmspiegelung in der Praxis des Beklagten zu 1) durchführen lassen. Sie stellte sich erneut am 17.08.2018 mit Überweisung ihrer Hausärztin zur Koloskopie wegen familiärer Belastung vor. Sie erhielt einen Aufklärungsbogen ausgehändigt, den sie durchlas und ausfüllte (Anlagenkonvolut der Beklagten). Anschließend wurde ein Gespräch mit der Beklagten zu 2) geführt, dessen Einzelheiten streitig sind. Die Beklagte zu 2) notierte auf dem Bogen: "Vorsorge Koloskopie, letzte vor 5 Jahren, war unauffällig, keine Beschwerden, keine offenen Fragen".
Am 20.08.2018 führte der Beklagte zu 1) die Koloskopie durch. Im Anschluss daran überreichte er der Klägerin bei der Entlassung einen unverschlossenen Briefumschlag mit dem Arztbrief an die Hausärztin. Am 22.08.2018 wurde die Klägerin im xxx-Krankenhaus wegen einer "iatrogenen Sigmaperforation nach Koloskopie mit eitriger Vier-Quadranten-Peritonitis" aufgenommen und notoperiert. Es wurde ein künstlicher Darmausgang gelegt. Es entwickelte sich eine Bauchfellentzündung, und die Klägerin wurde auf der Intensivstation zwei Tage und weitere fünf Tage auf der Normalstation behandelt. Im September 2018 traten Wundheilungsstörungen auf. Im Oktober 2018 wurde stationär der künstliche Darmausgang entfernt. Die Klägerin - von Beruf Lehrerin - war bis 20.12.2018 krankgeschrieben und wurde erneut am 10.01.2019 krankgeschrieben.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte zu 2) habe es unterlassen, sie am 17.8.2018 darauf hinzuweisen, sich bei Beschwerden im Anschluss an den Eingriff unverzüglich wieder vorzustellen. Der Beklagte zu 1) habe es am 20.8.2018 nach dem Eingriff ebenfalls grob behandlungsfehlerhaft unterlassen, sie darauf hinzuweisen, dass sie bei anhaltenden Beschwerden unverzüglich einen Arzt aufsuchen müsse. Wäre ihr dies bekannt gewesen, hätte sie sich frühzeitiger einem Arzt vorgestellt und die Sepsis wäre früher festgestellt und nicht so weit fortgeschritten gewesen.
Die Beklagten haben behauptet, die Klägerin sei auf die Risiken der Untersuchung, insbesondere die Gefahr einer Darmperforation hingewiesen und unter Verwendung des perimed Aufklärungsbogens aufgeklärt worden. Im Übrigen sei von einer hypothetischen Einwilligung auszugehen, weil die Klägerin auch die Koloskopie im Jahr 2013 bei dem Beklagten zu 1) habe durchführen lassen.
Das Landgericht hat die Parteien angehört und die Klage mit Urteil vom 17.01.2020 abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie greift die Beweiswürdigung des Landgerichts an. Das Landgericht sei unter Verkennung wesentlicher Beweisgrundsätze zu dem Ergebnis gelangt, die Beklagten hätten eine hinreichende Risikoaufklärung nachgewiesen. Dazu seien keine Vermerke im Aufklärungsbogen vorhanden. Die Beklagte zu 2) habe keine konkrete Erinnerung an das Gespräch gehabt. Zudem habe die Beklagte zu 2) auf Nachfrage angegeben, dass sie es nicht ausschließen könne, dass das Gespräch am 17.08.2018 so abgelaufen sei, wie die Klägerin es geschildert habe. Damit habe sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt. Auch die Annahme einer ausreichenden therapeutischen Aufklärung sei lebensfremd, weil sie unterstelle, dass sich die Klägerin bei Auftreten der Beschwerden wissentlich trotz erfolgter Aufklärung selbst gefährdet hätte. Sie sei darüber hinaus nicht zu der behaupteten Sicherheitsaufklärung am 17.08.2018 angehört worden. Das Landgericht hätte die Angaben der Beklagten zu 2) zur Sicherungsaufklärung nicht als unstreitig behandeln dürfen. Die Klägerin habe eine ausreichende therapeutische Aufklärung stets bestritten und bei ihrer Anhörung das Gespräch anders dargestellt. Zu Recht sei das Landgericht von einer unzureichenden Sicherungsaufklärung durch den Beklagten zu 1) am 20.08.2018 ausgegangen. Re...