Leitsatz (amtlich)

1. Der Käufer ist für eine präsente Kenntnis der Verkäuferseite zum aufklärungsrelevanten Zeitpunkt auch dann beweisbelastet, wenn sich der Verkäufer darauf beruft, er habe den ihm zuvor einmal bekannten aufklärungspflichtigen Sachverhalt inzwischen "vergessen".

2. Verkauft eine Gemeinde ein Grundstück, so kann ihr ein typischerweise aktenmäßig registrierter Altlastenverdacht nach den Grundsätzen über eine Wissenszurechnung bei arbeitsteilig organisierten juristischen Personen oder Körperschaften öffentlichen Rechts zugerechnet werden. Eine solche Zurechnung setzt jedoch voraus, dass ein konkreter Anlass besteht, sich dieses Wissen zu beschaffen (Anschluss an BGH, Urteil vom 02.02.1996, V ZR 239/94).

3. Stellt ein Kaufinteressent trotz eines ihm bekannten Altlastenverdachts (hier: mögliche Verfüllung mit Bauschutt) keine Nachfragen über die konkrete Beschaffenheit des Bodens, so besteht jedenfalls solange keine Nachforschungspflicht der Gemeinde als die Gespräche das Stadium konkreter Vertragsverhandlungen noch nicht erreicht haben. Der Kaufinteressent hat daher, wenn das nachträgliche Bekanntwerden von Altlasten zum Wegfall seines Erwerbsinteresses führt, keinen Anspruch auf Ersatz seiner nutzlosen Planungsaufwendungen.

 

Normenkette

BGB § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 166 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Urteil vom 16.09.2014; Aktenzeichen 61 O 2409/12)

 

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Würzburg vom 16.09.2014, Az. 61 O 2409/12, wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG Würzburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 107.138,66 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Kläger fordern von der Beklagten Schadensersatz nach dem Scheitern von Vertragsverhandlungen über den Erwerb eines Grundstücks.

Die Kläger sind Gesellschafter der A. GmbH, B.. Sie hatten seit 2003 Interesse an der Errichtung eines neuen Betriebsgebäudes auf dem im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstück Fl. Nr. xxx/x in B., das sich - wie den Klägern bekannt war - in einem Wasserschutzgebiet und teilweise auf dem Gelände einer verfüllten Kiesgrube befindet. 2004 oder 2005 schalteten die Kläger zu diesem Zweck beratend und als möglichen Planer den ortskundigen Architekten Dipl.-Ing. N. (künftig auch: Architekt) ein, der an Gesprächen über den Erwerb des Grundstücks mit der Beklagten auf Seiten der Kläger teilnahm.

Der Kiesabbau war aufgrund eines Bescheids des Landratsamts S. vom 11.03.1975 (Anlage B 1, Bl. 449 d.A.) erfolgt, in dem verfügt worden war, dass bei Abschluss der Ausbeute die Grube "mit Bauschutt und sonstigem Erdmaterial (kein Müll)" wieder aufzufüllen ist (Ziffer 9 des Bescheids). Nach einer ersten Aufforderung vom 24.07.1989 zur Rekultivierung hatte die Beklagte mit Schreiben vom 18.02.1993, unterzeichnet vom damaligen Bauamtsleiter D., dem Kiesgrubenbetreiber, der Fa. C., eine Frist bis 30.11.1993 zur Vornahme der Rekultivierungsmaßnahmen gemäß Ziffer 9 des Genehmigungsbescheids gesetzt. Nach Abschluss der Rekultivierung 1996 hatte schließlich die Beklagte mit Schreiben vom 10.03.1997 die Freigabe der vom Kiesgrubenbetreiber gestellten Bankbürgschaft erklärt.

Im Jahr 2000 war die baurechtliche Zuständigkeit für das Kiesgrubengelände auf das Landratsamt S. übergegangen.

Mit Schreiben vom 20.10.2005 teilte die Beklagte der Fa.A. GmbH mit:

"Bezugnehmend auf Ihren Antrag vom 15.06.2005 und die anschließend mit der Verwaltung geführten Gespräche freuen wir uns Ihnen nunmehr die Zusicherung zur einer Flächenübertragung nach rechtskräftigem Abschluss der Baulandumlegung "E. - Straße im Sinne des Aufteilungsplanes des Architekturbüros N. geben zu können. Wir weisen ausdrücklich daraufhin, dass die Konditionen für einen späteren Erwerb heute noch nicht feststehen und jegliche Vorplanungen Ihrerseits nur auf eigenes Risiko erfolgen können." (Bl. 13 d.A.).

Im Anschluss an dieses Schreiben beauftragten die Kläger im Januar 2006 den Architekten mit der Planung des Bauvorhabens. Dieser stellte gemäß Rechnung vom 12.06.2007 Leistungen in der Zeit vom 15.01.2006 bis 12.06.2007 mit einem Betrag von 78.435,53 EUR netto in Rechnung. Hinsichtlich der weiteren von den Klägern vor dem 30.05.2007 beauftragten Leistungen, die den Klägern in Rechnung gestellt wurden, wird auf die Aufstellung in der Klageschrift (S. 33) und die beigefügten Anlagen NE 8 - NE 17 Bezug genommen. Hieraus ergeben sich - inklusive Architektenhonorar - Gesamtkosten in Höhe von 102.138,66 EUR.

Am 07.05.2007 erteilte das Landratsamt S. den Klägern die baurechtliche Gen...

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