Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhalt: Unzumutbarkeit einer Nebentätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Muss ein Unterhaltspflichtiger zur Durchführung der Umgangskontakte mit seinen 3 Kindern im 2-Wochen-Turnus an den Wochenenden eine Fahrtstrecke von einfach 90 Kilometern zurücklegen, ist ihm im Rahmen des geschuldeten Kindesunterhalts keine Nebentätigkeit zumutbar.
2. Um die angemessenen Kosten des Umgangs mit den Kindern ist der Selbstbehalt beim Kindesunterhalt auch dann zu erhöhen, wenn der Unterhaltspflichtige weniger als 100 % des Regelbetrages bezahlen kann.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Schweinfurt (Urteil vom 06.12.2004; Aktenzeichen 3 F 595/02) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des AG - FamG - ... vom 6.12.2004 abgeändert.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 1) bis 3) zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin ab Januar 2005 bis einschließlich Juni 2005 Kindesunterhalt i.H.v. 85 % für die Monate Juli und August 2005 i.H.v. 76 % und für die Zeit ab September 2005 i.H.v. 70 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe gem. § 1 Regelbetragsverordnung zu zahlen.
III. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin für den Zeitraum Januar 2001 bis einschließlich Dezember 2004 rückständigen Kindesunterhalt i.H.v. jeweils 7.917,99 EUR und an den Kläger zu 3) zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin für denselben Zeitraum i.H.v. 7.086,82 EUR zu zahlen.
IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weiter gehende Berufung zurückgewiesen.
V. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger 2/5 und der Beklagte 3/5 zu tragen.
Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Kläger 3/5 und der Beklagte 2/5 zu tragen.
VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
VII. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Auf die tatsächlichen Feststellung des angefochtenen Endurteils des AG - FamG - ... vom 2.4.2001 (Bl. 56 ff. d.A.) wird Bezug genommen.
Ergänzend ist festzustellen, dass entgegen den Ausführungen im Tatbestand des angegriffenen Urteils der Beklagte mit Schreiben vom 18.1.2001 aufgefordert wurde, Kindesunterhalt zu bezahlen. Der Beklagte besitzt einen qualifizierten Hauptschulabschluss, eine Lehre als Rohrleitungsbauer und ist Meister im Handwerkmetallbau. Außerdem ist er Schweißtechniker und Fachlehrer im Fach Schweißtechnik. Seine nunmehrige Ehefrau ist nicht berufstätig und bezieht seit Januar 2005 monatlich 420 EUR Arbeitslosengeld.
Der Beklagte wendet sich gegen das Urteil.
Er beantragt, unter Abänderung des Urteils des AG ... vom 6.12.2004 den Beklagten zu verurteilen, z.Hd. der gesetzlichen Vertreterin an die Kläger zu 1) bis 3)
1. ab Januar 2005 monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 27 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe gem. § 1 Regelbetragsverordnung sowie
2. für den Zeitraum Januar 2001 bis einschließlich Dezember 2004, z.Hd. der gesetzlichen Vertreterin rückständigen Kindesunterhalt für den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) i.H.v. jeweils 3.098,07 EUR und für den Kläger zu 3) i.H.v. 2.911,19 EUR zu zahlen.
Die Kläger beantragen Zurückweisung der Berufung.
II. Die zulässige (§§ 511 ff. ZPO) Berufung ist nur zum Teil begründet. Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von laufendem Kindesunterhalt und Rückständen in der im Tenor bezeichneten Höhe gem. §§ 1601 ff. BGB.
1. Ihr Bedarf gem. § 1610 Abs. 1 BGB leitet sich mangels eigener Lebensstellung minderjähriger Kinder von der Lebensstellung des Beklagten ab (BGH in st. Rspr., zuletzt v. 6.2.2002 - XII ZR 20/00, MDR 2002, 644 = BGHReport 2002, 323 m. Anm. Luthin = FamRZ 2002, 536 [539]). Er hat in der Zeit von Januar bis März 2001 ausweislich seiner im Termin vom 12.5.2005 übergebenen Lohnsteuerkarte 2001 bei der Firma P. ein Nettoeinkommen von monatlich 3.064 DM erzielt (5.088,67 DM brutto abzgl. Lohnsteuer 942,33 DM, Solidaritätszuschläge 36,67 DM und Sozialabgaben 1.045,67 DM). Unter Berücksichtigung berufsbedingter Aufwendungen i.H.v. 5 % verbleibt ein Einkommen von 2.910,80 DM, das eine Eingruppierung in Gruppe 3 der Düsseldorfer Tabelle, Stand 1.7.1999, rechtfertigt. Allerdings werden die dort genannten Bedarfskontrollbeträge des Beklagten dann unterschritten, weshalb eine Herabstufung nach Gruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle, Stand 1.7.1999, für alle drei Kläger erfolgen muss. Ähnlich verhält es sich im Zeitraum von April 2001 bis November 2002. Nach der Geburt des Kindes P. im Dezember 2002 ergibt sich ohnehin nur noch ein Bedarf in Höhe des Mindestunterhalts, den das AG in dem angegriffenen Urteil auch lediglich zugesprochen hat. Da der Beklagte somit für den gesamten Zeitraum, in dem die Kläger Unterhalt begehren, lediglich den Mindestunterhalt schuldet, ist eine weitere Darlegung ihrer Bedarfshöhe nicht erforderlich (BGH v. 22.10.1997 - XII ZR 278/95 = FamRZ 1998, 357 [359]; Palandt/Diederichsen, BGB, 62. Aufl., Einf. vor § 1601 Rz. 66, m.w.N.).
2. Der Beklagte schuldet jedoch ...