Leitsatz (amtlich)

1. Ein Patient ist über das gegenüber der Standardmethode erhöhte Risiko einer alternativen Operationsmethode aufzuklären, wenn ein wesentlich erhöhtes Risi-ko besteht und dieser Umstand dem Behandler bekannt ist (Anschluss an BGH VersR 2006, 1073, 1074 - Robodoc).

2. Wird eine mit einem wesentlich höheren Eingriffsrisiko verbundene Methode (hier: Robodoc) angewendet, scheidet eine Haftung wegen eines Aufklärungsmangels nicht bereits deshalb aus, weil über das Bestehen des Risikos als solches (hier: Gefahr einer Nerven- und Weichteilschädigung) aufgeklärt wurde. Denn die un-terbliebene Aufklärung über eine unterschiedlich hohe Wahrscheinlichkeit eines Risikoeintritts ist nach dem Schutzzweck der Aufklärungspflicht nur dann nicht schadensursächlich, wenn eine Behandlungsmethode mit einem geringeren Ein-griffsrisiko gewählt wurde (Abgrenzung zu BGH a.a.O.).

3. Der Einwand der Arztseite, dass der operationsbedingte Schaden (hier: Nerven-schädigung) auch bei Anwendung der Standardmethode eingetreten wäre, stützt sich auf Vorbringen zu einem hypothetischen Kausalverlauf. Hierfür trägt der Be-handler die Beweislast.

4. Zum Verjährungsbeginn bei Aufklärungsmängeln (hier in Bezug auf spezifische Eingriffsrisiken der "Robodoc"- Operationstechnik).

 

Normenkette

BGB §§ 195, 199 Abs. 1, § 204 Abs. 1 Nr. 7, § 630e Abs. 1 S. 3, § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Bayreuth (Urteil vom 07.01.2014; Aktenzeichen 34 O 589/09)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Bayreuth vom 07.01.2014, Az. 34 O 589/09, abgeändert.

2. Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz des Schadens aus der ärztlichen Behandlung durch die Beklagte am 09.02./11.02.1999 (Implantation einer Hüft-Totalendoprothese) ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 49.900,56 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz nach dem Einsetzen einer Hüft-Totalendoprothese im Februar 1999.

Die am xx. xx. 1940 geborene Klägerin befand sich bereits Anfang 1993 wegen Schmerzen in der rechten Hüfte in stationärer Behandlung bei der Beklagten.

Am 03.02.1999 wurde die Klägerin im Bezirksklinikum A., dessen Träger die Beklagte ist, über das operative Einsetzen einer Totalendoprothese (TEP) an der rechten Hüfte aufgeklärt. Dabei wurde das Standardformular "Hüftgelenksendoprothese" verwendet. In diesen Bogen wurde handschriftlich eingetragen: "Robodoc-Hüfte re + Pin - Implantation (insgesamt 2 × Op!)" (Anlage K5). Bei der Robodoc-Methode handelt es sich um ein Verfahren, bei dem der Fräsvorgang am Becken nicht manuell durch den Operateur, sondern computergestützt maschinell ausgeführt wird. Hierzu ist es erforderlich, in einem ersten Eingriff so genannte Pins als Landmarken zu implantieren. Eine Aufklärung der Klägerin über methodenspezifische Risiken der Robodoc-Methode im Vergleich zur Standardmethode erfolgte nicht.

Der Klägerin wurde am 09.02.1999 (Pin-Implantation) und 11.02.1999 eine Hüft-Totalendoprothese rechts unter Einsatz des Robodoc implantiert.

Die Klägerin behauptet, es habe sich um ein Neulandverfahren gehandelt. Sie sei vor dem Eingriff unzureichend über die Operationsmethode und deren spezifische Risiken aufgeklärt worden. Sie behauptet weiter, bereits bei der Präparation am 09.02.1999 sei es zu Behandlungsfehlern gekommen. Es habe zudem während der Operation am 11.02.2009 kein sorgfältiges Refixieren der zuvor gelösten Muskulatur stattgefunden und es sei zu früh eine Vollbelastung angeordnet worden. Durch die Operation habe sie erhebliche Gesundheitsschäden erlitten, insbesondere stechende Schmerzen beim Aufstehen aus sitzender Position, ein leicht hinkendes Gangbild, Schmerzen bei der Innenrotation, ein

Taubheitsgefühl im Bereich der Operationsnarbe über dem lateralen Oberschenkel und im Bereich des ventralen Oberschenkels, eine 29 cm lange Narbe nach lateralem Zugang zum Hüftgelenk rechts und eine 8 cm lange Narbe nach der Pin-Implantation, eine eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Beins sowie lumbale Rückenschmerzen und die Zunahme einer präexistierenden Inkontinenz. Daneben sei ein Haushaltsführungsschaden entstanden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug und zur Darstellung der erstinstanzlichen Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Die Klägerin hat am 11.02.2005 ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet (Aktenzeichen 12 OH 8/05 LG Bayreuth). Das in diesem Verfahren erholte (letzte) Sachverständigengutachten ist der Klägerin am 29.03.2007 zugestellt worden. Die Streitwertfestsetzung im Beweisverfahren ist am 15.05.2007 erfolgt.

Das LG hat die Klage nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. S. sowie eines weiteren Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. R. abgewiesen. Ansprüche der Klägerin wegen einer unzureichenden Aufklärung seien verjährt. Etwaige Aufklärungsmängel seien ...

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