Leitsatz (amtlich)
1. Eine TEP-Operation nach der Methode "Robodoc" stellte auch im Jahre 2000 noch eine Neulandmethode dar, so dass der Arzt auch darüber aufzuklären hatte, dass unbekannte Risiken bei Anwendung dieser Methode nicht auszuschließen sind.
2. Verwirklicht sich ein Risiko, über das der Patient aufgeklärt worden ist (hier: Beschädigung des nervus fibularis), kann er sich dann nicht auf ein Aufklärungsversäumnis über unbekannte Risiken berufen, wenn die Warscheinlichkeit des konkret eingetretenen Schadens auch bei einer Operation nach einer Standardmethode gleich hoch gewesen wäre.
3. Bei einer TEP-Operation ist die Art der Lagerung nicht gesondert zu dokumentieren.
Verfahrensgang
LG Görlitz (Urteil vom 22.02.2006; Aktenzeichen 4-O-376/01) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Görlitz vom 22.2.2006 - Az.: 4 O 376/01 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Der Befangenheitsantrag der Klägerin gegen den Sachverständigen Prof. ... vom 21.8.2007 wird abgelehnt.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.564,59 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadenersatz und Schmerzensgeld für eine ihrer Auffassung nach fehlerhaft und ohne die erforderliche Aufklärung durchgeführte computergestützte Implantation einer Totalendoprothese des rechten Hüftgelenks ohne vorausgegangene Pin-Implantation sowie auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz zukünftig anfallender materieller und immaterieller Schäden in Anspruch. Die Höhe des angemessenen Schmerzensgeldes hat sie erstinstanzlich mit 15.000 DM bis 24.000 DM angegeben. Daneben begehrt sie Schmerzensgeld für die Folgen einer Sturzverletzung während des anschließenden Aufenthalts im Klinikum der Beklagten zu 3) bis zum 29.3.2000. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil des LG vom 22.2.2006 (Bl. 542 bis 565 d.A.) Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt, nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. H könne ein ärztlicher Fehler bei der Operation nicht festgestellt werden, bei dem Schaden am nervus fibularis handele es sich vielmehr um eine schicksalhafte Komplikation. Die von der Klägerin behauptete Lockerung der Totalendoprothese lasse sich anhand der Röntgenbilder und des klinischen Beschwerdebildes nicht bestätigen. Eine Fascienlücke sowie eine Verlängerung des rechten Beins von insgesamt drei Zentimetern habe der Sachverständige ebenfalls nicht bestätigen können. Auch die Aufklärungsrüge könne der Klägerin nicht zum Erfolg verhelfen, weil sie über die Risiken der Operationsmethode an sich sowie über das Risiko eventueller Nervverletzungen umfassend aufgeklärt worden sei. Der Einwand, ihr sei keine andere Operationsmethode vorgestellt worden, verfange nicht, weil die Frage nach alternativen Operationsmethoden im Februar 2000 für die Klägerin nicht mehr bestanden, sie sich vielmehr bereits abschließend auf das Robodoc-Verfahren festgelegt habe. Dass sie hierbei nicht auf Risiken hingewiesen worden sei, wie sie sich aus wissenschaftlichen Stimmen der Jahre 2004/2005 ergäben, begründe ebenfalls keinen Aufklärungsmangel. Die Aufklärung der Klägerin habe sich nur auf diejenigen Tatsachen beziehen müssen, die im Zeitpunkt der Operation in der wissenschaftlichen Fachwelt bereits bekannt gewesen seien. Schließlich sei auch eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten zu 3) hinsichtlich des Sturzes der Klägerin am 28.3.2000 nicht zu erkennen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der form- und fristgerecht eingereichten und begründeten Berufung. Sie vertritt die Auffassung, das LG habe die Aufklärungspflicht der Beklagten rechtsfehlerhaft auf den Erkenntnisstand des Jahres 2000 beschränkt und dabei übersehen, dass das Robodoc-Verfahren sich zu dieser Zeit noch in einem experimentellen Stadium befunden habe und hieraus nicht näher abschätzbare Risiken resultierten. Das Risiko von Nervenschäden, wie die von ihr erlittene Schädigung des Peronaeusnerves (= nervus fibularis), sei beim Robodoc-Verfahren messbar erhöht. Hinweise auf derartige Nachteile des Verfahrens ggü. der konventionellen Methode seien ihr indes nicht erteilt worden. Allein die Tatsache, dass ihr das Robodoc-Verfahren aufgrund "aggressiver Werbemethoden" bereits vor Beginn des Aufklärungsgespräches mit dem Beklagten zu 2) bekannt gewesen sei, lasse die Aufklärungspflicht nicht entfallen. Die Verletzung der Aufklärungspflicht habe sich auch deshalb ausgewirkt, weil ihre Beschwerden maßgeblich auf die bei der Operation vorgenommene Ablösung der Muskulatur zurückzuführen seien, die bei der Robodoc-Metho...