Leitsatz (amtlich)
Die Beiordnung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger umfasst nicht dessen Tätigkeit im Adhäsionsverfahren (Anschluss an OLG Jena Rpfleger 2008, 529 ff. und OLG Zweibrücken JurBüro 2006, 643 f.).
Tatbestand
Das AG ordnete den Bf. am 16.04.2007 der Angekl., die wegen gewerbsmäßiger Untreue in 26 tatmehrheitlichen Fällen angeklagt war, als Pflichtverteidiger bei. Für den Geschädigten beantragte dessen anwaltschaftliche Vertreterin, die Angekl. im Adhäsionsverfahren zur Zahlung von 9.103,02 Euro nebst 5% Zinsen über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen. Im Urteil des AG vom 20.06.2007 wurde u.a. dem Antrag im Adhäsionsverfahren stattgegeben. Mit Schriftsatz vom 25.06.2007 beantragte der Bf., seine Gebühren und Auslagen nebst Umsatzsteuer auf 1.792,74 Euro festzusetzen, wobei hierin eine Verfahrensgebühr gemäß §§ 2, 13 RVG, Nr. 4143 VV RVG in Höhe von 972,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer für die Vertretung der Angekl. im Adhäsionsverfahren enthalten war. Die Rechtspflegerin beim AG setzte mit Beschluss vom 27.08.2007 die Kosten des Pflichtverteidigers auf 636,06 Euro inklusive Umsatzsteuer fest. Die geltend gemachte Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG für das Adhäsionsverfahren wurde nicht bewilligt, weil sich die Bestellung zum Pflichtverteidiger gemäß § 140 StPO nicht ohne weiteres auf das Adhäsionsverfahren erstrecke und eine ausdrückliche Erstreckung der Beiordnung auf das Adhäsionsverfahren unterblieben sei. Prozesskostenhilfe für das Adhäsionsverfahren mit Beiordnung eines Rechtsanwalts sei weder beantragt noch bewilligt worden. Der Erinnerung des Bf. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27.08.2007 half die Rechtspflegerin nicht ab. Am 11.09.2007 wies das AG die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.08.2007 als unbegründet zurück.
Mit Beschluss vom 05.08.2008 verwarf das LG unter Darstellung der in Lit. und Rspr. vertretenen unterschiedlichen Auffassungen die gegen den Beschluss vom 11.09.2007 eingelegte Beschwerde als unbegründet und erkannte, dass die weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss zulässig sei. Es folgte hierbei nicht der Auffassung des Bf., wonach die Bestellung zum Pflichtverteidiger gemäß § 140 StPO auch die Befugnis zur Vertretung bei der Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche des Verletzten im Adhäsionsverfahren mit der Folge umfasse, dass dem Pflichtverteidiger die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4143 VV RVG zustehe, ohne dass es einer besonderen Beiordnung gemäß § 404 V StPO bedürfe. Vielmehr sei der Meinung zu folgen, wonach ohne ausdrückliche Beiordnung gemäß § 404 V StPO die Vertretung des Angekl. im Adhäsionsverfahren von der Bestellung seines Verteidigers als Pflichtverteidiger gemäß § 140 StPO nicht erfasst sei. Gegen den ihm am 19.09.2008 zugestellten Beschluss vom 05.08.2008 richtet sich die gemäß §§ 56 II 1, 33 VI, 33 III 3 RVG zulässige weitere Beschwerde des Bf. vom 23.09.2008, welcher das LG mit weiterem Beschluss vom 25.09.2008 nicht abhalf. Das Rechtsmittel blieb in der Sache ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Mit dem LG ist der Senat der Ansicht, dass ohne eine ausdrückliche Beiordnung gemäß § 404 V StPO die Vertretung im Adhäsionsverfahren von der Bestellung als Pflichtverteidiger nicht erfasst wird. Ausgangspunkt für dieses Resultat ist, dass die Beiordnung im Adhäsionsverfahren gemäß § 404 V StPO nur unter den Voraussetzungen der §§ 114 ff. ZPO erfolgen soll. Das bedeutet, dass Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Verteidigers nur bei Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung und vorhandener Bedürftigkeit bewilligt werden darf. § 404 V 2 StPO verweist auf § 121 II ZPO mit der Maßgabe, dass dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll. Dem Ast., der sich im Hauptverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedient, soll dieser beigeordnet werden. § 404 V StPO kann nicht entnommen werden, dass die dort aufgestellten Grundsätze nicht für einen Angeklagten gelten sollen, dem bereits ein Pflichtverteidiger beigeordnet ist. Außerdem würde das Absehen von der Prüfung der Erfolgsaussicht und der Bedürftigkeit bei einem bereits durch einen Pflichtverteidiger vertretenen Angeklagten die durch §§ 404 ff. StPO geschaffene " Waffengleichheit " zwischen Täter und Opfer zugunsten des Angeklagten verschieben (OLG Jena Rpfleger 2008, 529 ff. und OLG Zweibrücken JurBüro 2006, 643 f.).
In den §§ 140 ff. StPO wird dagegen keine Regelung zum Umfang der Beiordnung getroffen. Soweit sich die gegenteilige Meinung (vgl. z.B. OLG Köln StraFo 2005, 394 f.) auf den Wortlaut der Nr. 4143 VV RVG stützt, ist dem entgegen zu halten, dass diese Vorschrift lediglich zwischen Wahlverteidiger und beigeordnetem Verteidiger differenziert. Daraus lässt sich jedoch nur entnehmen, dass diese Gebühr auch der beigeordnete Verteidiger verdienen kann. Nr. 4143 VV RVG nimmt aber weder auf § 404 V StPO noch auf § 140 StPO Bezug. Es ist nicht geregelt, dass, abweichend von § 404 V StPO, eine zusätzliche Beiordnung nicht er...