Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung der Aufklärung auf eine Stationsärztin
Verfahrensgang
LG Bayreuth (Urteil vom 16.01.2003; Aktenzeichen 21 O 263/01) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG Bayreuth vom 16.1.2003 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Berufungsstreitwert: 20.451,68 Euro (wie erste Instanz).
Gründe
I. Die Klägerin begehrt Schadensersatz (Schmerzensgeld) wegen der Folgen einer Blasenverletzung anlässlich einer Dickdarmresektion (1. Teil der Operation vom 15.12.1998) mit Entfernung der Gebärmutter und der Eierstöcke (2. Teil der Operation vom 15.12.1998) in der Frauenklinik des Beklagten in ...
Das LG hat die Klage abgewiesen:
- Die Klägerin sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (Aussage der Stationsärztin Dr. ...) umfassend (auch über den zweiten Teil der Operation) aufgeklärt und auf eine Verletzung der ableitenden Harnwege (Harnblase) hingewiesen worden.
- Die Aufklärung (auch zum 2. Teil der Operation) habe der Stationsärztin übertragen werden dürfen.
- Der zweite Teil der Operation sei nach dem Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens (wegen Krebsverdachtes) notwendig gewesen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter und führt aus:
- Das LG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine (spezielle) Patientenaufklärung nicht von dem operierenden Spezialisten durchzuführen sei.
- Dr. ... habe ihr nur erklärt, zusammen mit dem Dickdarm sei ein "verbackener Eierstock" zu entfernen; die Entfernung der Gebärmutter und des zweiten Eierstockes sei kein Thema gewesen.
- Sie habe ihr Einverständnis mit darüber hinausgehenden Eingriffen von einer weiteren von Dr. ... angekündigten Aufklärung durch Mitglieder des gynäkologischen Operationsteams abhängig machen wollen; der zweite Eingriff, bei dem die Blase verletzt worden sei, sei deshalb rechtswidrig gewesen.
- Die Entfernung der Gebärmutter und des zweiten Eierstockes sei auch nicht notwendig gewesen, weil der Sachverständige (Dr. ...) von einem falschen Hb-Wert (2,8 g/dl) ausgegangen sei; insoweit habe das LG ein weiteres Gutachten einholen müssen.
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil und die gewechselten Schriftsätze wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Übertragung der Aufklärungspflicht auf die Stationsärztin
Die Übertragung der Aufklärungspflicht auf die Stationsärztin Dr. ... im Rahmen der Organisation der Klinik war zulässig (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl., Rz. C/108, S. 210; unter Hinweis auf BGH v. 7.4.1992 - VI ZR 192/91, MDR 1992, 748 = NJW 1992, 2351; v. 22.4.1980 - VI ZR 37/79, MDR 1980, 836 = NJW 1980, 1905; OLG Oldenburg v. 4.8.1998 - 5 U 66/98, OLGReport Oldenburg 1999, 7 = NJW-RR 1999, 390; OLG Schleswig v. 24.1.1994 - 4 W 3/94, NJW-RR 1994, 1052; OLG Nürnberg v. 9.4.1991 - 3 U 2178/90, VersR 1992, 754).
Damit war eine gesonderte Aufklärung über den 2. Teil der Operation durch das gynäkologische Team nicht mehr erforderlich. Die von der Klägerin zitierte Literaturstelle (Geigel/Schlegelmilch, Der Haftpflichtprozess, 23. Aufl., 14. Kap., Rz. 226, S. 456) steht dem nicht entgegen. Danach ist bei Behandlung durch mehrere Ärzte jeder Behandler aufklärungspflichtig.
Dies schließt aber nicht aus, dass einer davon - wie vorliegend nach deren Aussage die Stationsärztin Dr. ... - die Gesamtaufklärung übernimmt.
Folge einer solchen (zulässigen) "Delegation" ist lediglich, dass die Aufklärungspflicht auf den informierenden Arzt übergeht und dieser (unter Umständen nicht allein, aber auch) etwaige Aufklärungsmängel zu verantworten hat (vgl. OLG Schleswig, v. 24.1.1994 - 4 W 3/94, NJW-RR 1994, 1052 [1053] - Fortbildung; BGH v. 8.5.1990 - VI ZR 227/89, MDR 1990, 808 = NJW 1990, 2929).
Entscheidend bleibt, dass der Klägerin "im Großen und Ganzen" eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren vermittelt worden ist (BGH v. 7.4.1992 - VI ZR 192/91, MDR 1992, 748 [749] = VersR 1992, 960 [962] = NJW 1992, 2351 [2353]; v. 7.2.1984 - VI ZR 174/82, BGHZ 90, 103 [106 ff.] = MDR 1984, 565).
Ein Aufklärungsgespräch, das diese Kriterien erfüllt, führt deshalb auch dann zu einer wirksamen Einwilligung des Patienten, wenn es nicht vom tatsächlichen Operateur geführt worden ist.
2. Tatsächliche und ausreichende Aufklärung
Nach dem Beweisergebnis hat die Stationsärztin Dr. ... die Klägerin unter Besprechung der als Anlage B 7 vorgelegten Basisinformation ("perimed - Formblatt") umfassend und in ausreichender Weise aufgeklärt.
Die Klägerin war danach auch mit ...