Leitsatz (amtlich)
›Vor Durchführung einer vaginalen Hysterektomie sind andere in Betracht kommenden Ursachen der klinischen Beschwerden im gebotenen Umfang abzuklären. Eine sofortige vaginale Hysterektomie darf allenfalls dann vorgenommen werden, wenn die Patientin eingehend über diese Verfahrensweise und den Verzicht auf eine Abrasio (Ausschabung) aufgeklärt worden ist.‹
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen 1 O 54/98) |
Tatbestand
Die im Jahr 1943 geborene Klägerin befand sich seit dem Jahr 1991 in der ambulanten Behandlung des Beklagten, der als niedergelassener Gynäkologe sowie als Belegarzt praktiziert. Am 24.08.1991 und am 29.05.1992 klagte die Klägerin über Blutungsstörungen. Der Beklagte diagnostizierte einen "plumpen, metropathischen Uterus". In der Folgezeit stellte sich die Klägerin mehrfach in der Gemeinschaftspraxis, die der Beklagte mit dem Gynäkologen Dr. betreibt, wegen fortdauernder Beschwerden vor. Der Beklagte empfahl der Klägerin, zur Behebung ihrer Beschwerden die Gebärmutter operativ zu entfernen. An ihrem 50. Geburtstag, dem 06.04.1993, wurde die Klägerin stationär aufgenommen und unterzeichnete einen entsprechenden Aufklärungsbogen. Einen Tag später, am 07.04.1993, führte der Beklagte die Operation (vaginale Hysterektomie) durch. Die histologische Untersuchung des entfernten Gewebematerials ergab keinen Anhalt für Malignität. Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes - Vorstellung: 20.000,00 DM - und Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz jedweder materieller und weiterer immaterieller Schäden in Anspruch genommen. Sie hat behauptet, die operative Gebärmutterentfernung sei medizinisch nicht indiziert gewesen. Aufgrund der operativen Entfernung ihrer Gebärmutter leide sie an einem "Verwachsungsbauch", an Blasen- und Nierenbeckenentzündungen bis hin zum Nierenstau und an ständigen Schmerzen, so daß sie fortlaufend Schmerztabletten zu sich nehmen müsse. Der Beklagte hat behauptet, daß die vaginale Hysterektomie medizinisch indiziert gewesen sei. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage nach Einholung zweier gynäkologischer Fachgutachten abgewiesen. Dabei hat das Landgericht nur einen dieser Sachverständigen im Kammertermin zur Erläuterung seines Gutachtens angehört und ist der Begründung dieses Sachverständigen gefolgt, wonach ein "wahrer Fächer an typischen Beschwerden" vorgelegen und die Operationsindikation ausgemacht habe.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung und beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den Schlußanträgen erster Instanz zu erkennen, die Feststellung der Ersatzpflicht jedweden materiellen Schadens mit der Maßgabe, "soweit kein Forderungsübergang stattgefunden hat".
Der Beklagte beantragt,
die gegnerische Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Parteien wiederholen, vertiefen und ergänzen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze mit ihren Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat die Parteien angehört und die Sachverständigen Profes. Dres. ihre schriftlichen Gutachten erläutern lassen. Insoweit wird auf den Vermerk des Berichterstatters zum Senatstermin vom 19. Juni 2000 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin war erfolgreich.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche aus den §§ 847, 823 BGB und - die Feststellung materieller Schäden betreffend - wegen Schlechterfüllung des ärztlichen Behandlungsvertrages.
Ein Behandlungsfehler ist darin zu sehen, daß am 07.04.1993 keine medizinische Indikation für die vaginale Hysterektomie vorgelegen hat. In der Beurteilung des Behandlungsgeschehens macht sich der Senat die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. der sein Gutachten überzeugend erläutert hat und dem Senat als erfahren und sachkundig bekannt ist, zu eigen. Danach bestand für die am 07.04.1993 erfolgte Gebärmutterentfernung keine medizinische Notwendigkeit. Dagegen folgt der Senat nicht den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. in erster Instanz, wonach ein "wahrer Fächer an typischen Beschwerden" vorgelegen habe und wonach "die Vielzahl der Beschwerden zusammengenommen" die Operation ausgemacht hätten (Seite 2, 3 des Protokolls vom 05.11.1999, Bl. 184, 185 d.A.), weil diese pauschalen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. im Senatstermin selbst nicht konkretisiert worden sind. Vielmehr ist der Sachverständige Prof. Dr. von seinen schriftlichen Ausführungen und von denjenigen im Kammertermin erkennbar abgerückt.
Nach den Ausführungen beider Sachverständiger im Senatstermin konnten allenfalls die Rückenschmerzen und/oder die Blutungsstörungen die vaginale Hysterektomie dem Grunde nach indizieren. Weder die leichte Gebärmuttersenkung noch die Größe der Gebärmutter machten die Uterusent...