Leitsatz (amtlich)
1. Leidet eine 40jährige Patientin, deren Familienplanung abgeschlossen ist, unter der Unregelmäßigkeit und Häufigkeit ihrer mit heftigen Schmerzen verbundenen Monatsblutungen, kommt zur Behebung der Symptomatik eine vaginale Hysterektomie in Betracht.
2. Vor einer operativen Gebärmutterentfernung muss eine Patientin nicht darüber aufgeklärt werden, dass es infolge einer psychischen Fehlverarbeitung der auf dem Eingriff beruhenden Unfruchtbarkeit zu Zweifeln an der eigenen Vollwertigkeit kommen kann (Posthysterektomiesyndrom).
Normenkette
BGB §§ 242, 249 ff., § 276 a.F., § 611
Verfahrensgang
LG Duisburg (Aktenzeichen 8 O 270/99) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 6.7.2000 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Duisburg wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die am 10.5.1957 geborene Klägerin begab sich am 22.9.1997 in die Ambulanz der Frauenklinik der Beklagten zu 1). Sie gab an, unter stark schmerzhaften und unregelmäßigen Monatsblutungen zu leiden. Darüber hinaus wies sie auf ein einige Jahre zuvor bemerktes Gebärmuttermyom hin. Prof. Dr. B., der Chefarzt der Abteilung, stellte bei einer Untersuchung einen derben, unebenen und knapp faustgroßen Uterus fest. Er empfahl der Patientin einen laparoskopischen Eingriff mit einer Ausschabung zur Ermittlung der Beschwerdeursache und einer – von der Patientin gewünschten – Eileitersterilisation. Ausweislich eines Vermerks in der Karteikarte kam nach Einschätzung des Chefarztes „später eventuell eine vaginale Uterusexstirpation” in Betracht. Am frühen Vormittag des 11.11.1997 erschien die Klägerin zur Durchführung des vorgeschlagenen Eingriffs in der Frauenklinik der Beklagten zu 1). Dort wurde sie von dem Assistenzarzt Dr. K. über den Verlauf und die möglichen Komplikationen einer diagnostischen Laparoskopie aufgeklärt. Im Laufe des Tages kam es zu einer weiteren Besprechung mit den Beklagten zu 2) und 3); der Inhalt dieser Unterredung ist streitig; jedenfalls erklärte sich die Klägerin anschließend durch Unterzeichnung eines entsprechenden Merkblatts mit einer vaginalen Entfernung der Gebärmutter einverstanden. Am 12.11.1997 wurde die Hysterektomie von den Beklagten zu 2) und 3) durchgeführt; ausweislich des Operationsberichts kam es dabei nicht zu Komplikationen oder ähnlichen Besonderheiten. Die histologische Untersuchung des entnommenen Präparates ergab einen „Uterus myomatosus mit einem 5,5 cm im Durchmesser großen, subserös im Fundusbereich gelegenen, regressiv veränderten Leyomyom ohne Hinweis auf Malignität”. Der Heilungsprozess verlief unauffällig; die Klägerin konnte am 22.9.1997 aus der stationären Behandlung entlassen werden. Später begab sie sich wegen urologischer, sexueller und psychischer Probleme u.a. in die gynäkologische Abteilung der S.- Kliniken D., in die Frauenklinik des E. Krankenhauses O., in die neurologische Station des A.-Krankenhauses in E. und in die Behandlung der Psychotherapeutin P. (vgl. Anl. K 7 bis K 12 zur Klageschrift).
Die Klägerin macht Ersatzansprüche geltend. Sie hat behauptet, sie habe sich ausschließlich zur Durchführung einer diagnostischen Laparoskopie und einer Eileitersterilisation in die gynäkologische Abteilung der Beklagten zu 1) begeben. Am späten Nachmittag des 11.11.1997 gegen 17.00 Uhr habe der Beklagte zu 2) sie unvermutet untersucht und anschließend erklärt, die operative Entfernung der Gebärmutter sei unumgänglich; ihre – der Klägerin – Einwände habe er barsch zurückgewiesen. Angesichts dieses Drucks habe sie ihre Zustimmung zu der vorgeschlagenen Hysterektomie gegeben; diese Zustimmung sei aber nicht wirksam, da ihr keine einwandfreie Risikoaufklärung vorangegangen sei und der Beklagte zu 2) die Unterschrift zudem erzwungen habe. Unmittelbar nach dem Eingriff habe sie Vorlagen tragen müssen, die regelmäßig feucht geworden seien; diese Besonderheit habe das Pflegepersonal als vorübergehende Erscheinung bezeichnet. Tatsächlich habe sie nach ihrer Entlassung unter einer anhaltenden Harninkontinenz und unter einer Sensibilitätsstörung im Genitalbereich gelitten. Auch habe die Entfernung der Gebärmutter zu starken Depressionen geführt. Diese Entwicklung sei den Beklagten anzulasten: Zum einen sei die Hysterektomie wegen des Fehlens einer wirksamen Einwilligung rechtswidrig gewesen; zum anderen müsse davon ausgegangen werden, dass die offensichtlich unerfahrenen Beklagten zu 2) und 3) bei dem Eingriff in vermeidbarer Weise die Harnblase und nervale Strukturen verletzt hätten. Es sei bis heute nicht gelungen, die schwerwiegenden und anhaltenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu beseitigen; an den Beschwerden sei ihre langjährige partnerschaftliche Beziehung gescheitert; auch habe sie ihren Arbeitsplatz verloren.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 50.000 DM zzg...