Leitsatz (amtlich)

1. Jedenfalls dadurch, dass die Audi AG am 25.01.2018 ihre Vertragshändler und Servicepartner nicht nur von den Rückrufanordnungen des Kraftfahrtbundesamts (KBA) für die Audi Modelle mit V6- und V8-TDI-Motoren unterrichtet, sondern hierbei zugleich eine ausdrücklich so bezeichnete sowie anhand eines Musterschreibens ("Beipackzettel") erläuterte "Hinweispflicht" gegenüber den Kunden statuiert hatte, hat das Unternehmen einen radikalen Strategiewechsel vollzogen und auch nach außen erkennbar sein Verhalten so grundlegend geändert, dass ab diesem Zeitpunkt der auf das Gesamtverhalten bezogene Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht mehr gerechtfertigt ist (Anschluss an OLG Koblenz, Urteil vom 30.03.2021, 3 U 1438/20, juris Rn. 35; OLG Stuttgart, Urteil vom 20.04.2021, 16a U 1305/20, juris Rn. 85 und Fortführung von BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798; Urteil vom 08.12.2020, VI ZR 244/20, ZIP 2021, 84; Urteil vom 23.03.2021, VI ZR 1180/20, VersR 2021, 732; Beschluss vom 09.03.2021, VI ZR 889/20, VersR 2021, 661; Urteil vom 28.10.2021, III ZR 261/20, juris).

2. Ob und in welchem Umfang ein späterer Käufer entsprechend den Anweisungen der Audi AG tatsächlich aufgeklärt wurde, ist unerheblich (Fortführung Senatsurteil vom 08.01.2020, 3 U 180/19, juris Rn. 40). Es kommt weder auf seine Kenntnisse vom "Dieselskandal" im Allgemeinen noch auf seine Vorstellungen von der Betroffenheit des Fahrzeugs im Besonderen an. Nachdem die Audi AG ihren grundlegenden Strategiewechsel vollzogen hatte, wurde einem späteren Erwerber unabhängig von seinem Wissensstand und seinem subjektiven Vorstellungsbild nicht sittenwidrig ein Schaden zugefügt (Anschluss an BGH, Urteil vom 28.10.2021, III ZR 261/20, juris Rn. 19).

 

Normenkette

BGB §§ 31, 826

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Urteil vom 13.07.2021; Aktenzeichen 23 O 141/21)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 13.07.2021 abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Senatsurteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in Anspruch.

1. Der Kläger erwarb am 25.04.2018 von der Firma X. - diese Firma ist ein Vertragshändler bzw. Servicepartner der Beklagten - ein Gebrauchtfahrzeug der Marke Audi, Typ A7 Sportback S-Line zum Kaufpreis von 48.000,00 EUR (Anlage K 1). Der Kilometerstand des Fahrzeugs betrug zum Zeitpunkt des Kaufs 33.690 km und am 14.06.2021 104.410 km. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten 3,0 Liter-V6-Turbodieselmotor (240 kW, Abgasnorm EU 6) ausgestattet.

Das Kraftfahrbundesamt rief zahlreiche Fahrzeuge des vorgenannten Typs - darunter auch das Fahrzeug des Klägers (vgl. Anlage K 2) - zurück, weil deren Überprüfung eine unzulässige Abschalteinrichtung ergeben habe. Darüber informierte das Kraftfahrbundesamt die Öffentlichkeit mit einer Pressemitteilung vom 23.01.2018 (Anlage B 5). Die Beklagte entwickelte daraufhin in Absprache mit dem Kraftfahrbundesamt ein Software-Update, das die Beanstandungen beheben sollte. Das Kraftfahrtbundesamt gab die Software am 26.11.2018 frei. Der Kläger ließ das Software-Update am 08.07.2020 aufspielen (Anlage K 4).

2. Der Kläger hat in erster Instanz vorgetragen, in dem von ihm erworbenen Fahrzeug käme mit Wissen und Wollen des Vorstands der Beklagten eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz.

Auf dieser Grundlage hat der Kläger in erster Instanz beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 39.235,74 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.09.2020 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges Audi A7 Sportsback S-Line 3.0 TDI 3.0 TDI mit der Fahrzeug-Ident-Nr. ... zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeuges Audi A7 Sportsback S-Line 3.0 TDI 3.0 TDI mit der Fahrzeug-Ident-Nr. ... seit dem 12.09.2021 in Annahmeverzug befindet.

3. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.663,90 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu bezahlen.

3. Die Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen, sie habe bereits am 21.07.2017 durch eine Pressemitteilung der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass sie in einem umfangreichen Maßnahmenplan bis zu 850.000 Fahrzeuge für die Halter kostenlos mit einem Software-Update ausstatten werde, um das Emissionsverhalten im realen Fahrbetrieb weiter zu ...

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