Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Schadensersatzanspruch gegen Audi wegen des entwickelten, hergestellten und eingebauten 3,0-Liter-Motors (hier: Audi A5 Cabrio S-line 3.0 TDI quattro)
Leitsatz (amtlich)
1. Vgl. zu 3,0 Liter-Motoren von Audi mit unterschiedlichen Ergebnissen auch: BGH BeckRS 2021, 37683; BeckRS 2022, 21374; OLG München BeckRS 2022, 43580; OLG Nürnberg BeckRS 2023, 5896; OLG München BeckRS 2022, 36080 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1); OLG Bamberg BeckRS 2022, 28703 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1) sowie OLG Brandenburg BeckRS 2021, 52227 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1).
2. Für den Motor EA897 ist der Vorwurf der Sittenwidrigkeit im Hinblick auf die Entwicklung und Implementierung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für einen Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs am 30.5.2020 jedenfalls aufgrund einer vor dem Kauf erfolgten maßgeblichen Verhaltensänderung der Herstellerin nicht (mehr) gerechtfertigt. (Rn. 35)
3. Hinsichtlich der 3.0-Liter-V6-Dieselmotoren ist eine unterstellte objektive Sittenwidrigkeit im Hinblick auf die Entwicklung und Implementierung einer unzulässigen Abschalteinrichtung spätestens ab dem 25.1.2018 entfallen, als die Audi AG ihre Vertragshändler und Servicepartner nicht nur von den Rückrufanordnungen des KBA für die Audi Modelle mit V6- und V8-TDI-Motoren unterrichtete, sondern hierbei zugleich eine ausdrücklich so bezeichnete sowie anhand eines Musterschreibens (sog. "Beipackzettel") erläuterte Hinweispflicht gegenüber den Kunden statuierte. (Rn. 41)
4. Der Umstand, dass mit dem Update nicht nur eine unzulässige Manipulationssoftware entfernt wird, sondern auch - solche unterstellt - anderweitig nachteilige Veränderungen verbunden sind, würde nicht ausreichen, um das Gesamtverhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren. (Rn. 56)
5. Dass die europarechtlichen Normen konkret die wirtschaftliche Selbstbestimmung der Fahrzeugerwerber vor unerwünschten Kaufverträgen schützen, ist auch dem Urteil des EuGH vom 21.3.2023 nicht zu entnehmen. (Rn. 60)
Normenkette
AEUV Art. 267; BGB §§ 31, 823 Abs. 2, § 826; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1; EGV 715/2007 Art. 5 Abs. 2; ZPO § 138 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Regensburg (Urteil vom 19.05.2022; Aktenzeichen 73 O 1956/21) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 19.05.2022, Az. 73 O 1956/21, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Landgerichts Regensburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund beider Urteile insgesamt zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 30.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage der Haftung der Beklagten als Herstellerin eines Dieselmotors wegen der behaupteten Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung.
1. Die Klagepartei nimmt die Beklagte hinsichtlich eines von ihr mit verbindlicher Bestellung vom 30.05.2020 als Gebrauchtwagen mit einem Kilometerstand von 37.100 km von einer am Rechtsstreit nicht beteiligten Händlerin, der A1. GmbH, einer Audi Partnerin, erworbenen Pkw Audi A5 Cabrio S-line 3.0 TDI quattro (160 kW) mit Erstzulassung am 05.10.2016 in Anspruch (Anklage K1). Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten 3.0-Liter-V6-Turobodieselmotor des Typs EA897 ausgestattet. Für das Fahrzeug wurde eine EG-Typgenehmigung für die Emissionsklasse EU6 erteilt. Es verfügt über einen SCR-Katalysator, der mit "AdBlue" betrieben wird. Das Fahrzeug war von einem verpflichtenden Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) im Zusammenhang mit der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung, der sogenannten schnellen Motoraufwärmfunktion (sog. Strategie A), betroffen. Mittels des vom KBA für die Fahrzeuge des Typs Audi A5 am 13.09.2019 freigegebenen Software-Updates wurde am 29.10.2019 die Aktualisierung der Motorsteuerungssoftware des streitgegenständlichen Fahrzeugs durchgeführt. Mit dem Erwerb des Fahrzeug erhielt die Klagepartei eine Bescheinigung über die Durchführung der Rückrufaktion "23X6" (Anlage K2).
Am 12.04.2022 hatte der streitgegenständliche Pkw einen Kilometerstand von 61.022 km.
In einer Pressemitteilung vom 21.07.2017 (Anlage B6) hatte die Beklagte unter anderem mitgeteilt, dass sie für Kunden in Europa und weiteren Märkten ein Nachrüstprogramm für EU5/EU6 Dieselfahrzeuge anbiete. Insgesamt könnten bis zu 850.000 Autos, die mit dem Sechszylinder- und Achtzylinder-Dieselmotor ausgestattet seien (V6/V8 TDI, EU5/EU6), eine neue Software bekommen. Hierdurch werde das Emissionsverhalten im realen Fahrbetrieb jenseits der bisherigen gesetzlichen Anforderungen...