Entscheidungsstichwort (Thema)
Schutz des Versicherungsnehmers, Betriebsschließungsversicherung, Umfang des Versicherungsschutzes, unangemessene Benachteiligung, Infektionsschutzgesetz, Dynamische Verweisung, Transparenzgebot, Allgemeine Versicherungsbedingungen, Auslegung von Versicherungsbedingungen, Versicherungsfall, Versicherer, OLG Koblenz, Krankheitserreger, Klauseln, Behördliche Anordnung, OLG Oldenburg, Vorläufige Vollstreckbarkeit, OLG Stuttgart, Betriebsschließungen, Vollständige Betriebsschließung
Verfahrensgang
LG Hof (Urteil vom 23.04.2021; Aktenzeichen 25 O 24/20) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 23.04.2021, Az. 25 O 24/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Hof sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung.
1. Die Klägerin schloss mit der Beklagten für ihr Restaurant eine Betriebsschließungsversicherung mit Versicherungsbeginn zum 01.02.2017 ab. Die vereinbarte Tagesentschädigung beträgt 500,- EUR für maximal 30 Schließungstage (= 15.000,00 EUR als Höchstsumme).
Die geltenden VB-BSV 09 (vgl. Anlage K 2; im Folgenden: AVB) enthalten folgende Klauseln:
"§ 1 Gegenstand der Versicherung
1. Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt [...]
2. [...] Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger:
a) Krankheiten [...]
b) Krankheitserreger [...]"
Die Auflistung umfasst eine knappe Seite der AVB in zweispaltiger Druckweise und weist eine Vielzahl von Krankheiten und Krankheitserregern auf. Allerdings sind weder die COVID-19-Erkrankung noch das Corona-Virus SARS-CoV-2 erwähnt.
Weiter heißt es in den AVB u.a.:
"§ 4 Ausschlüsse ...
4. Krankheiten und Krankheitserreger
Nicht versichert sind Schäden infolge von Prionenerkrankungen (z.B. BSE) oder des Verdachts hierauf."
Durch Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 16.03.2020 (mit späterer Verlängerung) wurde der Gastronomiebetrieb zur Eindämmung des Corona-Virus letztlich bis 17.05.2020 größtenteils untersagt, wovon auch die Klägerin betroffen war. Nur die Abgabe und Auslieferung von Speisen war weiterhin zulässig.
Erst durch das zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (2. COVIfSGAnpG v. 19.05.2020) wurde das Coronavirus als meldepflichtige Krankheit zum 23.05.2021 in das Infektionsschutzgesetz namentlich aufgenommen.
Erstinstanzlich hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass es sich bei Covid-19 um eine Krankheit i.S. von § 1 Nr. 2 der AVB handle. Hieraus folge eine dynamische Verweisung auf das IfSG. Im Übrigen sei § 1 Nr. 2 der AVB intransparent und damit gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, insbesondere da auch § 4 der AVB Ausschlüsse enthalte und für den Versicherungsnehmer nicht erkennbar sei, in welchem Umfang trotz der Klausel Versicherungsschutz bestehe.
Die Klägerin müsse sich auch nicht auf einen Außerhausverkauf verweisen lassen. Staatliche Zahlungen seien nicht anzurechnen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Es handle sich nur um eine Betriebseinschränkung. Die Allgemeinverfügung sei unwirksam gewesen. Zudem sei die Verfügung nicht speziell gegen den Betrieb gerichtet gewesen. § 1 Nr. 2 der AVB sei zudem abschließend. Es liege weder eine dynamische noch eine statische Verweisung auf das IfSG vor. Es fehle zudem an einer betriebsinternen Gefahr.
Auch die Anspruchshöhe sei unzutreffend. Der tatsächliche Schaden weiche evident von der vereinbarten Taxe ab. Die Klägerin müsse sich auch staatliche Unterstützungsleistungen anrechnen lassen und vorrangig Schadenersatzansprüche gegen den Staat geltend machen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen.
2. Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.
Eine Betriebsschließung wegen Covid-19 sei nicht von der Versicherung umfasst. Die Aufzählung in § 1 Nr. 2 der AVB sei abschließend. § 1 Nr. 1 und 2 der AVB müssten gemeinsam gelesen werden, § 1 Nr. 1 werde daher nicht d...