Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegungs- und Beweislast des Frachtführers beim qualifizierten Organisationsverschulden nach In-Kraft-Treten der Transportrechtsreform

 

Verfahrensgang

LG Aschaffenburg (Urteil vom 10.04.2003; Aktenzeichen 1 HKO 124/02)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Aschaffenburg vom 10.4.2003 abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 24.956,10 Euro nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit 29.8.2002 zu zahlen.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

V. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Kosten des ersten Rechtszuges haben die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4 zu tragen.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

VII. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 49.912,20 Euro festgesetzt.

VIII. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Die Beschwer der Parteien durch dieses Urteil wird mit jeweils 24.956,10 Euro bewertet.

 

Gründe

I. Die Klägerin verfolgt aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche aus einem Frachtgeschäft wegen des Verlustes von Transportgut.

Mit Frachtbrief vom 9.4.2002 (Anlage K 1 = Bl. 7 d.A.) beauftragte die Firma … GmbH (im Folgenden: Versender) durch ihr Logistic-Center in … die Beklagte, ein weltweit agierendes Paketbeförderungsunternehmen, mit dem Transport von 5 Paketen im Gesamtgewicht von 51 kg an die Firma … GmbH in … (im Folgenden: Empfänger). Mit gleichem Datum stellte der Versender an den Empfänger über die aufgrund dessen Bestellung versandten Waren eine Rechnung über netto 126.700,20 Euro zzgl. Versandkosten und Mehrwertsteuer (K 4 = Bl. 10 d.A.) nebst Lieferschein (K 3 = Bl. 9 d.A.). Der Versender nahm eine Wertdeklaration der Pakete nicht vor, sondern wählte die Serviceart „Standard” (vgl. K 1). In dem Frachtvertrag bezogen der Versender und die Beklagte die Beförderungsbedingungen der Beklagten, Stand November 2000 (Anlage B 1 = Bl. 29a und 30a d.A.), ein, die u.a. die folgenden Bestimmungen enthalten:

1. A. … Soweit sich aus diesen Beförderungsbedingungen nichts anderes ergibt, gelten weiterhin in Deutschland die Regelungen der ADSp (ausgenommen Ziff. 29 ADSp), …

2. Serviceumfang

Sofern keine besonderen Dienstleistungen vereinbart werden, beschränkt sich der von … angebotene Service auf Abholung, Transport, Zollabfertigung (sofern zutreffend) und Zustellung der Sendung.

Um die vom Versender gewünschte kurze Beförderungsdauer und das niedrige Beförderungsentgelt zu ermöglichen, werden die Sendungen im Rahmen einer Sammelbeförderung transportiert. Der Versender nimmt mit der Wahl der Beförderungsart in Kauf, dass aufgrund der Massenbeförderung nicht die gleiche Obhut wie bei einer Einzelbeförderung gewährleistet werden kann. Der Versender ist damit einverstanden, wenn eine Kontrolle des Transportweges, insb. durch Ein- und Ausgangsdokumentation, an den einzelnen Umschlagstellen innerhalb des Systems nicht durchgeführt wird. Soweit der Versender eine weitergehende Kontrolle der Beförderung wünscht, wählt er die Beförderung als Wertpaket.

9. Haftung

9.1 …

9.2 Gelten keine Abkommensbestimmungen oder sonstige zwingende nationale Gesetze, wird die Haftung ausschließlich durch diese Bedingungen geregelt.

In Deutschland ist die Haftung für Verlust oder Beschädigung begrenzt auf nachgewiesene direkte Schäden bis maximal 1.000 DM pro Sendung oder 8,33 SZR für jedes Kilogramm, je nachdem welcher Betrag höher ist. In Österreich und in der Schweiz …

Bei Teilverlusten oder -beschädigungen wird das Gewicht des entwerteten Teils der Sendung zugrunde gelegt.

Vorstehende Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die …, seine gesetzlichen Vertreter, oder Erfüllungsgehilfen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass der Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen haben.

9.3 …

9.4 Die Haftungsgrenze nach Ziff. 9.2 wird angehoben durch korrekte Deklaration eines höheren Wertes der Sendung auf dem Frachtbrief und durch Zahlung des in der „Tariftabelle und Serviceleistungen” aufgeführten Zuschlages auf den angegebenen Wert (Wertpaket). In keinem Fall dürfen die in Absatz 3a (ii) festgesetzten Grenzen überschritten werden. Der Versender erklärt durch Unterlassung einer Wertdeklaration, dass sein Interesse an den Gütern die in Ziff. 9.2 genannte Grundhaftung nicht übersteigt. …

Nach Übernahme des Gutes durch die Beklagte gingen in deren Gewahrsam auf unbekannte Weise vier der fünf Pakete verloren. Die Klägerin, der Transportversicherer des Empfängers, leistete deswegen an diesen einen Entschädigungsbetrag von 99.824,40 Euro (K 5 = Bl. 12 d.A.), desse...

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