Entscheidungsstichwort (Thema)
Eine Durchsuchungsanordnung nach § 24 NPOG ist zur Durchsetzung einer naturschutzrechtlichen Herausgabepflicht nur ausnahmsweise möglich.
Leitsatz (amtlich)
1. Hat das Amtsgericht im Rahmen einer Durchsuchungsanordnung nach § 25 Abs. 1 NPOG eine gesetzlich nicht vorgesehene Beschlagnahmeanordnung getroffen, kommt eine Berichtigung des Beschlusses wegen offensichtlicher Unrichtigkeit nach § 42 FamFG nicht in Betracht.
2. Eine Herausgabeverfügung im Sinne des § 45 Abs. 5 Satz 5 BNatSchG wird gemäß § 70 Abs. 1 NVwVG regelmäßig nach dem Sechsten Teil des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (§§ 64-79 NPOG) durchgesetzt.
3. Nur im Falle einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die über die in den Ermächtigungsgrundlagen des Bundesnaturschutzgesetzes geregelten Fälle hinausgeht, liegt in dieser spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage eine Regelungslücke vor, die einen Rückgriff auf das allgemeine Gefahrenabwehrrecht rechtfertigt, so dass ausnahmsweise eine Durchsuchungsanordnung gemäß §§ 24, 26 NSOG zulässig sein kann.
Normenkette
BJagdG § 2; BNatSchG § 7 Abs. 2, § 44 Abs. 1-2, § 45 Abs. 5, § 52 Abs. 4; FamFG § 38 Abs. 3, §§ 42, 58 Abs. 1, § 62 Abs. 2 Nr. 1, §§ 63, 68 Abs. 1; GG Art. 13, 20 Abs. 3; GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b; NJagdG § 5; NNatSchG § 2 Abs. 1, § 31 Abs. 1; NPOG § 2 Nrn. 1-2, § 19 Abs. 4, §§ 24, 25 Abs. 1, §§ 26, 64-79; NVwVfG § 1 Abs. 1; NVwVG § 70; OWiG § 46 Abs. 1; SOG LSA §§ 43, 45, 53-68, 68a; StPO § 102; VwGO § 80 Abs. 2; VwVfG §§ 35, 37, 43; VwVG LSA § 71 Abs. 1; WaffG § 46 Abs. 2; ZPO § 319
Verfahrensgang
AG Clausthal-Zellerfeld (Entscheidung vom 23.08.2022; Aktenzeichen 3 Gs 12/22) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde vom 29. August 2022 wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Clausthal-Zellerfeld vom 23. August 2022 - 3 Gs 12/22 -, mit welchem die Durchsuchung der Wohnung der Beschwerdeführer und die Sicherstellung von Gegenständen angeordnet wurde, die Beschwerdeführer in ihren Rechten verletzt hat.
2. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Der Beschwerdegegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer zu tragen.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beschwerdeführer wenden sich nach erfolgter Durchsuchung und Sicherstellung von Wildtieren gegen einen Durchsuchungsbeschluss zur Durchsetzung einer naturschutzrechtlichen Herausgabepflicht.
Die Beschwerdeführer betätigen sich ehrenamtlich in der Wildvogelhilfe. In diesem Rahmen nehmen sie auch verletzte, hilflose oder kranke Wildvögel auf, um diese gesund zu pflegen. Am 19. August 2022 stellte der Landkreis ... als Untere Naturschutzbehörde (im Folgenden: Landkreis) fest, dass sich in der Wohnung der Beschwerdeführer eine Amsel sowie eine Mönchsgrasmücke befanden, welche nach Angaben der Beschwerdeführer aufgrund einer Lahmheit beziehungsweise eines Anflugtraumas nicht auswilderungsfähig waren. Da die beiden Wildvögel im Freiflug in der Wohnung der Beschwerdeführer waren, stimmten diese gegenüber den Mitarbeitern des Landkreises zu, die beiden Wildvögel in den Käfig zu locken und am 22. August 2022 in ihrer Wohnung an Mitarbeiter des Landkreises zu übergeben. An diesem Tag wurden zwei vereinbarte Abholtermine durch die Beschwerdeführer nicht eingehalten. Daraufhin beantragte der Landkreis unter dem 23. August 2022 bei dem Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld einen Beschluss zur Durchsuchung und Beschlagnahmung wegen Gefahr in Verzug, da die Gefahr bestehe, dass die Amsel und die Mönchsgrasmücke von den Beschwerdeführern dem Zugriff durch die Untere Naturschutzbehörde entzogen würden. Zur Begründung verwies der Landkreis auf die Regelungen der §§ 44 Abs. 2 und 45 Abs. 5 BNatSchG (Bl. 2 f. d. A.).
Mit Beschluss vom 23. August 2022 ordnete das Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld, gestützt auf die §§ 19 Abs. 4, 25 NPOG und § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG, zur Gewährleistung der gesetzlich vorgesehenen Herausgabe der Amsel und der Mönchsgrasmücke die Durchsuchung der Wohnung der Beschwerdeführer an. Daneben wurde die "Beschlagnahme" der vorgenannten Wildvögel angeordnet. Die Vögel seien durch die Untere Naturschutzbehörde einer artgerechten Unterbringung zuzuführen. Gemäß § 45 Abs. 5 BNatSchG habe auch bei der Aufnahme und Pflege verletzter oder hilfloser Wildtiere die Auswilderung stets Priorität. Die Durchsuchung und Sicherstellung sei eilbedürftig, da nach den Mitteilungen der Beschwerdeführer davon ausgegangen werden müsse, dass sie die beiden Wildvögel dem Zugriff der Unteren Naturschutzbehörde entziehen wollten, welcher nicht auswilderungsfähige Wildtiere jedoch zuzuführen seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den genannten Beschluss (Bl. 6 f. d. A.) Bezug genommen.
Am 24. August 2022 wurde die Wohnung der Beschwerdeführer in deren Abwesenheit nach Öffnung der Türe im Beisein der Polizei durchsucht und es wurden unter anderem die Amsel und die Mönchsgrasmücke s...