Leitsatz (amtlich)
Voraussetzung für die Entstehung des Entschädigungsanspruchs des Zeugen gegen die Staatskasse ist, dass der Zeuge von einer der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 JVEG genannten Stellen, also beispielsweise einem Gericht "herangezogen" worden ist. Das ist auch dann der Fall, wenn ein Zeuge nicht vom Gericht geladen, sondern stattdessen von einer Prozesspartei gestellt und als (sachverständiger) Zeuge vom Gericht vernommen worden ist.
Normenkette
JVEG § 1 Abs. 1, § 19
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Beschluss vom 08.10.2014; Aktenzeichen 7 O 2919/11 (408)) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des LG Braunschweig vom 8.10.2014 unter Zurückweisung der weiter gehenden Beschwerde dahingehend abgeändert, dass die dem Antragsteller aus der Staatskasse zu gewährende Entschädigung für die Wahrnehmung des Verhandlungstermins am 15.7.2014 vor dem LG Braunschweig auf 367,30 EUR festgesetzt wird.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Antragsteller ist in dem von Herrn K gegen die X Versicherung vor dem LG Braunschweig geführten Prozess (Geschäfts-Nr.: 7 O 2919/11) zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 15.7.2014 seitens des Klägers als Zeuge sistiert und dann ausweislich des Terminprotokolls als Zeuge vernommen worden. Im Urteil des LG vom 12.8.2014 heißt es zu dieser Vernehmung, der von der Klagepartei eingeführte sachverständige Zeuge habe nichts beizutragen vermocht, weil er in der entscheidenden Zeit den Kläger nicht untersucht habe; nach einem Bericht der W Klinik vom 7.11.2008 befragt, habe er nur angeben können, einen solchen Bericht unter dem 10.11.2008 vorliegen gehabt zu haben, hierüber jetzt aber nicht mehr zu verfügen.
Der Antragsteller hat unter dem 16.7.2014 eine Entschädigung über 4.598,04 EUR geltend gemacht und anschließend ihre gerichtliche Festsetzung beantragt, woraufhin das LG Braunschweig den Antrag auf Entschädigung mit Beschluss vom 8.10.2014 zurückgewiesen bzw. die Entschädigung auf 0 EUR festgesetzt hat, weil die Vernehmung des Antragstellers, wie die diesbezüglichen Ausführungen in den Urteilsgründen zeigten, nicht zweckdienlich gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 9.11.2014, mit der er geltend macht, sowohl im Protokoll als auch im Urteil als "sachverständiger Zeuge" bezeichnet worden zu sein.
Die Bezirksrevisorin bei dem LG Braunschweig tritt der Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung entgegen.
Das LG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 19.11.2014 nicht abgeholfen und die Sache dem OLG als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.1. Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig (§ 4 Abs. 3 JVEG) und teilweise begründet.
a) Gemäß den §§ 19 ff. JVEG kann der Antragsteller eine Entschädigung i.H.v. insgesamt 367,30 EUR beanspruchen.
Voraussetzung für die Entstehung des Entschädigungsanspruchs des Zeugen gegen die Staatskasse ist, dass der Zeuge von einer der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 JVEG genannten Stellen, also beispielsweise einem Gericht "herangezogen" worden ist. Das ist hier der Fall. Zwar hat das LG Braunschweig den Antragsteller zu dem Termin am 15.7.2014 nicht geladen, stattdessen ist er von dem Kläger gestellt worden. Seine "Heranziehung" im Sinne der genannten Vorschrift liegt jedoch darin, dass er anschließend ausweislich des Terminprotokolls tatsächlich als (sachverständiger) Zeuge vernommen worden ist (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.3.1983 - 20 W 80/83, JurBüro 1983, 1254; KG, Beschl. v. 11.2.1975 - 1 W 1352/74, NJW 1975, 1423; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 401 Rz. 2; Musielak/Huber, ZPO, 10. Aufl., § 401 Rz. 1;Hartmann, Kostengesetze, 43. Aufl., § 1 Rz. 37).
Soweit unter Hinweis auf einen Beschluss des OLG Koblenz vom 20.2.1967 (2 W 89/67, NJW 1967, 1866) zusätzlich verlangt wird, dass das Gericht den von einer Partei in der Sitzung gestellten Zeugen nicht nur tatsächlich vernommen, sondern auch die Zweckdienlichkeit seiner Gestellung anerkannt haben muss (so Binz/Dörndorfer, GKG, FamGKG, JVEG, 3. Aufl., § 19 JVEG Rz. 3), geht es hierbei, anders als vom LG zugrunde gelegt, nicht um eine ex post vorzunehmende Beurteilung der Zweckdienlichkeit seiner Vernehmung als solcher. Ob sich eine Zeugenvernehmung im Nachhinein als ergiebig und deshalb zweckdienlich erwiesen hat, ist für den Entschädigungsanspruch des von dem Gericht nicht geladenen, aber nach Gestellung durch eine Partei dennoch vernommenen Zeugen ebenso wenig entscheidend wie für die Entschädigung des gerichtlich geladenen Zeugen. Mit der von ihm angeordneten Zeugenvernehmung hat das Gericht den Zeugen zu Aussagezwecken "herangezogen" und damit deutlich gemacht, dass es die Vernehmung prozessual für notwendig erachtet. Dagegen geht es bei der Frage der Zweckdienlichkeit nur darum, ob eine Vernehmung gerade durch das Prozessgericht nötig war oder ohne die durchgeführte Sistierung auch durch einen ersuchten Richter im Wege der Rechtshilfe hätte erfolgen können, so dass eine...