Leitsatz (amtlich)
1.
Alle spätestens seit Januar 2004 von der PTB zugelassenen Rotlichtüberwachungsanlagen müssen die dem Betroffenen vorwerfbare Rotzeit automatisch ermitteln, ohne dass vom angezeigten Messwert Toleranzen zu subtrahieren sind. Dies gilt für folgende Anlagen (Stand: 24.04.2006): MULTANOVA MultaStar RLÜ, MULTANOVA MultaStar-Kombi, MULTANOVA MultaStar C (Zulassungsinhaber jeweils: ROBOT Visual Systems GmbH), TC RG-1 (Gatsometer BV), DiVAR (TRAFCOM COMMERCIAL ENTERPRISES INC).
2.
Bei allen anderen (früher zugelassenen) Geräten ist diejenige Fahrzeit von der angezeigten Rotzeit zu subtrahieren, die das gemessene Fahrzeug vom Überfahren der Haltelinie bis zu der Position benötigte, die auf dem (ersten) Messfoto abgebildet ist (mit Möglichkeiten zur Berechnung der zu subtrahierenden Fahrzeit).
3.
Nur bei den nachfolgenden drei Geräten ist zusätzlich zu dem unter Ziffer 2. beschriebenen Abzug noch eine weitere - gerätespezifische - Toleranz von 0,2 Sekunden zu berücksichtigen: TRAFFIPAX TraffiPhot II (ROBOT Visual Systems GmbH), Rotlicht-Überwachungsanlage von TRUVELO Deutschland, MULTAFOT (Multanova AG).
Verfahrensgang
AG Göttingen (Entscheidung vom 10.06.2004) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Göttingen vom 10. Juni 2004 im Rechtsfolgenausspruch einschließlich der zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde gegen das genannte Urteil mit der Maßgabe verworfen, dass der Betroffene einer fahrlässigen Missachtung des Rotlichtes einer Lichtzeichenanlage schuldig ist.
Die Gründe des genannten Urteils werden dahin berichtigt, dass die festgestellte Ordnungswidrigkeit nicht am 11.02.2003, sondern am 11.12.2003 begangen worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Göttingen zurückverwiesen.
Gründe
Die Rechtsbeschwerde ist im Hinblick auf den Rechtsfolgenausspruch begründet. Im Übrigen - hinsichtlich des Schuldspruchs der fahrlässigen Missachtung des Rotlichtes einer Lichtzeichenanlage - bleibt die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
I.
Durch das angefochtene Urteil ist der Betroffene wegen fahrlässiger Missachtung des Rotlichts der an der Einmündung der Danziger Straße in die Reinhäuser Landstraße befindlichen Lichtzeichenanlage mit einer Geldbuße von 125,00 EUR und einem Fahrverbot von einem Monat belegt worden. Das Amtsgericht hat hierbei die dem Betroffenen mit Bußgeldbescheid der Stadt Göttingen vom 23. Februar 2004 vorgeworfene Missachtung des Rotlichts als erwiesen angesehen, versehentlich aber das Datum der Tat aus dem Bußgeldbescheid mit dem 11.02.2003 angegeben; tatsächlich datiert die im Bußgeldbescheid genannte Ordnungswidrigkeit vom 11.12.2003. Da das Rechtsbeschwerdegericht auch den Bußgeldbescheid zur Kenntnis zu nehmen hat, konnte es bereits seinerseits dieses offensichtliche Versehen berichtigen.
Hiergegen hat der Betroffene unter Erhebung der Verfahrens- und Sachrüge die Rechtsbeschwerde eingelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel gemäß den §§ 349 Abs.2 StPO, 79 Abs.3 OWiG mit der Maßgabe der Anordnung zu verwerfen, dass das Fahrverbot nicht mit der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung, sondern erst dann wirksam wird, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch nach Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
II.
Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen den Schuldspruch wendet, ist sie zulässig, bleibt jedoch in der Sache selbst ohne Erfolg. Der Betroffene hat zwar eingeräumt, das gemessene Fahrzeug gefahren zu haben. Er hat sich jedoch dahin eingelassen, dass er durch ein vor ihm fahrendes Fahrzeug irritiert worden sei, welches abgebremst habe, sodass er die Haltelinie mit Verzögerung überquert habe. Diese Einlassung durfte das Amtsgericht mit der - möglichen und damit rechtsbeschwerderechtlich nicht mehr angreifbaren - Würdigung als widerlegt ansehen, aus den von ihm gewürdigten Radarfotos ergebe sich, dass der Betroffene durch kein vor ihm fahrendes Fahrzeug beeinträchtigt oder irritiert worden sein könne, da ein derartiges Fahrzeug auf den Radarfotos nicht zu erkennen sei.
III.
Der Rechtsfolgenausspruch kann jedoch keinen Bestand haben, da die zugehörigen Feststellungen lückenhaft sind und insbesondere für die Verhängung eines Fahrverbots nicht ausreichen.
1.
Grundsätzlich müssen bei der Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes (i.S.d. lfd. Nr.132.2 der BKatV) mittels automatischer Überwachungsanlage Gerätetyp und die ggf. zu berücksichtigende Messtoleranz angegeben werden (OLG Bremen DAR 2002, 225; OLG Schleswig SchlHA 2005, 335; vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 37 StVO, Rdnr.61 gegen Ende; Göhler/Seitz, OWiG, 14. Aufl., § 71 Rdnr.43 g). Dies ist bei automatischen Überwachungsanlagen nur dann entbehrlich, wenn die Rotlichtphase auch bei Abzug des für den Betroffenen günstigsten Toleranzwertes von 0,4 Sekunden bereits eine...