Leitsatz (amtlich)
Private Krankenversicherung: Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine Irreversible Elektroporation (IRE) bei diagnostiziertem Prostatakarzinom
Die Irreversible Elektroporation (IRE) stellt keine medizinisch notwendige Heilbehandlung im Sinne von § 1 Abs. 2 MB/KK 2009 dar.
Normenkette
MB/KK 2009 § 1 Abs. 2
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen vom 30.10.2018 (12 O 40/16) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen vom 30.10.2018 (12 O 40/16) ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf eine Wertstufe bis 9.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Darstellung des Sachverhalts wird im Hinblick auf die fehlende Anfechtbarkeit der Entscheidung abgesehen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO).
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senates vom 11.03.2019 Bezug genommen. Die Einwendungen des Klägers aus dem Schriftsatz vom 21.03.2019 führen zu keiner davon abweichenden rechtlichen Beurteilung. Die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.03.2017 (IV ZR 533/15) steht der Rechtauffassung des Senats nicht entgegen.
1.a. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 11.03.2019 bereits ausgeführt hat, handelt es sich bei der hier streitgegenständlichen "NanoKnife-Methode" unter Anwendung der Irreversiblen Elektroporation nicht um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung im Sinne von § 1 Abs. 2 MB/KK. Dabei verneint der Senat nicht die Frage der medizinischen Notwendigkeit der "NanoKnife-Methode", wie der Kläger dem Hinweisbeschluss vom 11.03.2019 entnehmen will, damit, dass auch eine andere Behandlungsmethode in Form der "active surveillance" zur Verfügung steht.
Eine medizinisch notwendige Behandlung ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode vorhanden ist, die geeignet ist, die Krankheit zu behandeln oder zu lindern (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2003 - IV ZR 278/01 -, BGHZ 154, 154-171, Rn. 27; Urteil vom 10. Juli 1996 - IV ZR 133/95 -, BGHZ 133, 208-219, Rn. 16; Urteil vom 29. Mai 1991 - IV ZR 151/90 -, juris, Rn. 8; OLG Nürnberg, Urteil vom 23. November 2015 - 8 U 935/14 -, juris, Rn. 21).
Eine derartige wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode stellt aber die "NanoKnife-Methode" nach den ausführlichen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen gerade nicht dar. Vielmehr handelt es sich, so der Sachverständige, um ein rein experimentelles Therapieverfahren, das sich in der alternativen Medizin weder bewährt hat, noch anerkannt ist.
b. Dieser Begründung steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.03.2017 (IV ZR 533/15) nicht entgegen.
aa. In der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs hatte das Berufungsgericht bereits das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Erkrankung des Versicherungsnehmers in Form einer Fehlsichtigkeit verneint mit der Begründung, diese sei auf einen natürlichen Alterungsprozess zurückzuführen und demgemäß weitere Feststellungen dazu, ob die durchgeführte Lasik-Operation eine medizinisch notwendige Heilbehandlung darstellte, nicht getroffen. Im Rahmen seiner Entscheidung wies der Bundesgerichtshof dann darauf hin, dass die medizinische Notwendigkeit nicht unter Hinweis auf die Möglichkeit des Tragens einer Sehhilfe verneint werden könne, da es sich insoweit um keine Heilbehandlung handele, sondern Brillen und Kontaktlinsen lediglich Hilfsmittel darstellen würden, mit denen körperliche Defekte über einen längeren Zeitraum ausgeglichen werden könnten. Die Klägerin des vom Bundesgerichtshof entschiedenen Falles habe danach ihre Fehlsichtigkeit nicht durch Sehhilfen kompensieren müssen, sondern habe diese durch eine Operation beheben lassen dürfen, sofern diese ihrerseits die Voraussetzungen einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung erfüllen würde (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2017 - IV ZR 533/15 -, Rn. 27, juris, Hervorhebung durch den Senat). Ob das Fall sei, könne nur anhand der im Einzelfall maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmt werden (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 29 m.w.N.). Um die insoweit erforderlichen Feststellungen zu treffen, hat der Bundesgerichtshof die Sache demgemäß an das Berufungsgericht zurückverwiesen und im Übrigen weitergehende Feststellungen zur Frage der medizinischen Notwendigkeit der Lasik-Behandlung nicht getroffen.
bb. Der Bundesgerichtshof bestätigt damit ausdrücklich, dass für die Frage des Vorliegens eines Versicherungsfalls im Sinne von § 1 Abs. 2 MB/KK die medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung zu prüfen ist.
§ 1 Abs. 2 MB/KK 2009 knüpft dabei bei der Beschreibung des Versicherungsfalls mit dem Begriff "medizinisch notwendige Heilbehandlung" - auch für den Versicherungsneh...