Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch ohne ausdrücklichen Antrag eines Beteiligten wegen schuldloser Versäumung der Rechtsmittelfristen
Leitsatz (redaktionell)
Bei schuldloser Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist auch ohne ausdrücklichen Antrag gemäß § 236 Abs. 2 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Normenkette
BGB §§ 1587, 1587a, 1587b; ZPO § 236 Abs. 2, §§ 233-234
Verfahrensgang
AG Clausthal-Zellerfeld (Aktenzeichen 1 F 75/03) |
Nachgehend
Tenor
I. Dem Niedersächsischen Landesamt für Bezüge und Versorgung wird wegen Versäumung der Beschwerdefrist und wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines diesbezüglichen Wiedereinsetzungsantrages Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.
II. Auf die Beschwerde des Niedersächsischen Landesamt für Bezüge und Versorgung wird das Urteil des AG Clausthal-Zellerfeld vom 16.10.2003 im Ausspruch zum Versorgungsausgleich unter 2. des Tenors abgeändert.
Vom Versicherungskonto Nr. 10 290562 W 024 des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund werden auf das Versicherungskonto Nummer der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Rentenanwartschaften von monatlich 114,66 EUR, bezogen auf den 30.4.2003, übertragen.
Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
Zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei dem Niedersächsischen Landesamt für Bezüge und Versorgung werden auf dem Versicherungskonto Nummer der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Rentenanwartschaften von monatlich 239,01 EUR, bezogen auf den 30.4.2003, begründet.
Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
Im Übrigen bleibt der Ausgleich dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Die am 20.12.1991 geschlossene Ehe der Parteien ist durch das nur hinsichtlich des Versorgungsausgleichs angefochtene Urteil des AG Clausthal-Zellerfeld vom 16.10.2003 geschieden worden.
Das AG hat den Versorgungsausgleich durchgeführt und zugunsten der Antragsgegnerin monatliche Rentenanwartschaften von 105,19 EUR innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen.
Dabei hatte das AG unberücksichtigt gelassen, dass der Antragsteller auch als Beamter des Landes Niedersachsen Versorgungsanwartschaften erworben hatte. Das AG hatte zwar aufgrund der Angaben des Antragstellers im Fragebogen zum Versorgungsausgleich am 17.6.2003 ein Auskunftsersuchen an die TU gerichtet, dieses aber mangels Reaktion der TU aus den Augen verloren. Das Urteil ist sodann Ende Oktober/Anfang November 2003 an die Parteien, die Deutsche Rentenversicherung Bund (damals noch BfA) und die Kirchliche Zusatzversorgungskasse (KZVK) zugestellt worden. Mit Schreiben vom 5.8.2004 wandte sich das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung (NLBV) an das AG mit der Bitte, Auskünfte anderer Versorgungsträger über die Höhe der Renten- bzw. Versorgungsanwartschaften des Antragstellers bei anderen Renten- und Versorgungsträgern einzuholen und mitzuteilen, um dann die dem Antragsteller zustehende beamtenrechtliche Versorgung korrekt berechnen zu können.
Daraufhin stellte das AG dem NLBV das Urteil vom 16.10.2003 am 18.8.2004 zu, verwies in einem Begleitschreiben auf das Versehen bezüglich der in Vergessenheit geratenen beamtenrechtlichen Versorgung und führte dann weiter aus: "Die Entscheidung dürfte hinsichtlich des Versorgungsausgleichs jedoch nicht rechtskräftig geworden sein, da sie Ihnen als Verfahrensbeteiligten bisher nicht zugestellt worden ist. Ich stelle jedoch vorsorglich anheim, Rechtsmittel gem. § 629a ZPO einzulegen."
Mit einem am 9.9.2004 eingegangenen Schriftsatz an den Senat hat das NLBV gegen das Verbundurteil - soweit der Versorgungsausgleich betroffen ist - Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet. Nachdem ihm die Auskunft der BfA vom 9.9.2004 bezüglich des Antragstellers zugänglich gemacht worden war, hat das NLBV die während der Ehezeit erworbenen beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaften des Antragstellers berechnet und in einer korrigierten Auskunft vom 14.6.2006 schließlich mit 872,49 EUR mitgeteilt.
Das NLBV beantragte, den Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung der von dem Antragsteller erworbenen Versorgungsanwartschaften zu regeln.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Er hält die Beschwerde für unzulässig, da verspätet und meint, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne dem NLBV nicht gewährt werden, u.a. weil ihm die Existenz des Scheidungsverfahrens bekannt gewesen sei und es sich deshalb früher um die Kenntniserlangung von dem Urteil hätte kümme...