Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert des Berufungsverfahrens abweichend zum Berufungsantrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Bestimmung des Streitwerts des Berufungsverfahrens sind die Anträge des Rechtsmittelführers dann nicht unbesehen zugrunde zu legen, wenn die angekündigten Rechtsmittelanträge erkennbar und auf der Hand liegend keinen Sinn ergeben. In einem solchen Fall richtet sich der Streitwert des Berufungsverfahrens, soweit es um den Rechtsmittelführer geht, nach dessen Beschwer durch die angefochtene Entscheidung.

2. Die Wirkung des § 45 Abs. 4 GKG erstreckt sich auf die Wertfestsetzung für das gesamte Berufungsverfahren und beschränkt sich nicht auf einen Mehrwert nur des Vergleichs.

3. Der im Wege der Hilfsaufrechnung geltend gemachte und von einem Prozessvergleich erfasste Anspruch des Darlehensgebers auf Wertersatz wegen der Rückabwicklung eines zur Finanzierung der Anschaffung eines Kraftahr-zeuges geschlossenen Darlehensvertrages führt zu einer Erhöhung des Gebührenstreitwerts. Einer Wertaddition mit den von dem Kläger geltend gemachten Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrages nach dessen Widerruf steht die Regelung des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nicht entgegen.

 

Normenkette

BGB § 367 Abs. 1, § 396 Abs. 2; GKG § 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 S. 3, Abs. 3-4, § 47 Abs. 1 S. 1, § 48 Abs. 1; ZPO § 3

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Aktenzeichen 5 O 4916/19 (2134))

 

Tenor

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf eine Wertstufe bis 65.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Festsetzung des Streitwerts des Berufungsverfahrens beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO, § 45 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 3 GKG.

Der Streitwert setzt sich zusammen aus der Beschwer des Klägers durch die erstinstanzliche Entscheidung in Höhe von 34.656,80 Euro zuzüglich des Wertes der von dem Vergleich erfassten Hilfsaufrechnung in Höhe von 25.051,09 Euro.

1. In einem ersten Schritt wird der Streitwert des gesamten Berufungsverfahrens zunächst durch den Wert der Berufungsanträge in der Hauptsache bestimmt, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Die besonderen Umstände des Einzelfalls erfordern es vorliegend, die Werte der Berufungsanträge nicht unbesehen für die Wertfestsetzung zugrunde zu legen, sondern auf die Beschwer durch die in vollem Umfang angefochtene erstinstanzliche Entscheidung abzustellen.

Diese liegt hier bei 34.656,80 Euro.

a) Der Kläger hat in der Berufungsbegründung vom 30.09.2021 angekündigt, zu beantragen,

1. das am 3. August 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Braunschweig - Az. 5 O 4916/19 - abzuändern,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 23.000,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, nach Herausgabe des Kfz V. T5 Multivan mit der Fahrgestellnummer ... und unter Aufgabe seines Anwartschaftsrechts auf Übereignung an ihn,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 4.800,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

4. festzustellen, dass der Beklagten seit dem 11.01.2019 keine Zins- und Tilgungsleistungen mehr auf das Darlehen Nr. ... zustehen,

5. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des ihr von dem Kläger angebotenen Kfz V. T5 Multivan mit der Fahrgestellnummer ... seit dem 11.01.2019 im Annahmeverzug befindet und mit der Zahlung des im Antrag zu 1. genannten Betrages im Schuldnerverzug,

6. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.554,93 Euro freizustellen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wäre der Gesamtstreitwert dieser Anträge zwar grundsätzlich nach dem Nettodarlehensbetrag des streitgegenständlichen Darlehensvertrages zuzüglich der geleisteten Anzahlung zu bemessen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2015 - XI ZR 335/13 - Rn. 3, juris; BGH, Beschluss vom 7. April 2015 - XI ZR 121/14 - Rn. 3, juris), hier also mit insgesamt 53.027,74 Euro.

b) Vorliegend ist jedoch aufgrund der besonderen Umstände im Einzelfall eine abweichende Betrachtung geboten.

Denn die durch Schriftsatz vom 30.09.2021 angekündigten Berufungsanträge ergeben erkennbar und auf der Hand liegend keinen Sinn.

Sie entsprechen zwar denjenigen Anträgen, mit denen der Kläger die erste Instanz eingeleitet hat, aber gerade nicht denjenigen, die zuletzt in der mündlichen Verhandlung erster Instanz gestellt wurden, nachdem das streitgegenständliche Fahrzeug - wie von dem Kläger in dem Schriftsatz vom 23.06.2021 selbst vorgetragen - zuvor veräußert und der Darlehensvertrag vollständig abgelöst worden war. Diesem - unbestrittenen - Tatsachenvortrag entsprechend hat der Kläger in erster Instanz zuletzt nur noch beantragt, die Beklagte zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 33.800,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.554,93 Euro zu verurteilen. Im Übrigen haben die Parteien den R...

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