Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung einer Hilfswiderklage bei der Festsetzung des Gebührenstreitwerts im Berufungsverfahren nach Abschluss eines Vergleichs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer alle wechselseitigen Ansprüche umfassenden Abgeltungsklausel wird das Schicksal der geltend gemachten Gegenforderung im Vergleich auch dann geregelt, wenn sich die Parteien auf eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses geeinigt und dem folgend keine weitergehende Regelung betreffend die Gegenforderung getroffen haben.

2. Der insoweit von einem Prozessvergleich erfasste und im Wege der Hilfswiderklage geltend gemachte Anspruch des Darlehensgebers auf Wertersatz wegen der Rückabwicklung eines zur Finanzierung der Anschaffung eines Fahrzeugs geschlossenen Darlehensvertrages führt zu einer Erhöhung des Gebührenstreitwerts. Einer Wertaddition mit den von der Klägerseite geltend gemachten Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrages nach dessen Widerruf steht nicht die Regelung des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG entgegen.

3. Die mit der Klage und Widerklage verfolgten Ansprüche betreffen insoweit nicht denselben Gegenstand. Eine wirtschaftliche Identität liegt nicht vor, weil die mit der Klage und Widerklage verfolgten Ansprüche sich nicht ausschließen. Sie betreffen unterschiedliche Vermögensdispositionen eines Rückabwicklungsverhältnisses und bilden vielmehr einen Gleichlauf dergestalt, dass bei stattzugebener Klage erst der Raum eröffnet wird, auch der Widerklage zum Erfolg zu verhelfen.

4. Finden sich im Sachvortrag der Parteien keine Anhaltspunkte dazu, welchen Wertverlust das streitgegenständliche Fahrzeug erlitten hat, ist das Interesse der Beklagten an der begehrten Feststellung mit 5.000,- Euro zu bewerten. Der maximal denkbare Wertverlust unter Zugrundelegung des Kaufpreises bietet keinen tauglichen Anhaltspunkt für eine Wertermittlung.

 

Normenkette

GKG §§ 43, 45 Abs. 1 S. 3, Abs. 4, § 52 Abs. 2; GNotKG § 36 Abs. 3; RVG § 23 Abs. 3 S. 2; ZPO § 3

 

Tenor

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf eine Wertstufe bis 35.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

1. Der Streitwert des gesamten Berufungsverfahrens bestimmt sich zunächst nach dem Wert der Leistungsanträge in der Hauptsache. Begehrt der Darlehensnehmer - wie vorliegend der Kläger - so gestellt zu werden, als hätte er den Darlehensvertrag nicht abgeschlossen, bemisst sich der Gesamtstreitwert bei verbundenen Geschäften nach der Höhe des Nettodarlehensbetrages (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2015 - XI ZR 335/13 -, juris Rn. 3; Beschluss vom 7. April 2015 - XI ZR 121/14 -, juris Rn. 3). Hinzu kommt ggf. ein aus Eigenmitteln aufgebrachter Betrag (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2015, a. a. O.). Zinsen bleiben als Nebenforderung nach § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO bzw. § 43 Abs. 1 GKG unberücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2020 - XI ZR 108/20 -, juris).

Der Nettodarlehensbetrag beläuft sich im vorliegenden Fall auf 24.400,- Euro. Ferner ist eine Anzahlung in Höhe von 3.500,- Euro geleistet worden, so dass der Gesamtstreitwert insoweit 27.900,- Euro beträgt.

Dem ebenfalls verfolgten Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs kommt kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zu (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2016 - XI ZR 539/15 -, juris Rn. 4). Der Antrag auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten betrifft eine Nebenforderung und erhöht daher den Streitwert der Anträge in der Hauptsache nicht (§ 43 Abs. 1 GKG).

2. Der genannte Betrag erhöht sich gemäß § 45 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 1 GKG um den Wert der von der Beklagten erhobenen Hilfswiderklage. Mit diesem Gegenrecht hat die Beklagte Wertersatz für den an dem finanzierten Fahrzeug entstandenen Wertverlust begehrt.

Dieser Wert ist mit 5.000,- Euro zu bemessen.

a) Die von der Beklagten geltend gemachte Hilfswiderklage hat in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich eine Regelung erfahren.

Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG erhöht sich der Streitwert im Falle einer Hilfswiderklage, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht. Gemäß § 45 Abs. 4 GKG gilt diese Regelung bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch einen Vergleich entsprechend. Diese Analogie führt zu einer Erhöhung des Streitwerts, wenn die Parteien in ihrer materiellrechtlichen Einigung des Vergleichs zugleich Regelungen über die zur Hilfswiderklage gestellten Forderungen getroffen haben. Die Wirkung des § 45 Abs. 4 GKG erstreckt sich dabei auf die Wertfestsetzung für das gesamte Berufungsverfahren und beschränkt sich nicht auf einen Mehrwert nur des Vergleichs (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30. Juli 2018 - 15 W 87/18, BeckRS 2018, 35195, Rn. 14, beck-online). Denn § 45 Abs. 4 GKG ordnet die "entsprechende" Anwendung des § 45 Abs. 1 GKG an, was im Falle des Vergleichs bedeutet, dass die vergleichsweise Regelung das Ergehen einer der Rechtskraft fähigen gerichtlichen Entscheidung im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG ersetzt (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 24. Mai 2018 - 4 W 17/18 -, Rn. 14, juris). Eine durch ...

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