Leitsatz (amtlich)
1. Das Risiko des Auftretens von Druckgeschwüren gehört nicht zu einem Bereich, der von dem Träger eines Pflegeheimes oder eines Krankenhauses und dem dort tätigen Personal tatsächlich voll beherrscht werden kann (Anschluss an OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.6.2004 - 15 U 160/03 = PflR 2005, 62); das gilt insbesondere dann, wenn der Patient wegen eines bereits bestehenden Druckgeschwürs stationär behandelt wird und dem - letztlich erfolgreich - behandelnden Krankenhauspersonal wegen zwischenzeitlicher Rückschläge ein Behandlungsfehler vorgeworfen wird.
2. Die Beweislastumkehr erstreckt sich in den Fällen, in denen es um die Verwirklichung voll beherrschbarer Risiken geht, nur auf den Nachweis des Behandlungsfehlers, aber nicht auf den gesamten haftungsbegründenden Tatbestand. Auch im Bereich der Haftung für voll beherrschbaren, Risiken ist der Patient nicht davon befreit, den Kausalitätsnachweis zu führen.
3. In Arzthaftungsprozessen dürfen zwar an die Substantiierungspflicht des Klägers nur maßvolle und verständig geringe Anforderungen gestellt und Lücken im Vortrag betreffend den medizinischen Sachverhalt nicht dem Kläger angelastet werden. Dies gilt aber nur solange, wie das typische Sachkundedefizit auf der Patientenseite bei der Einsicht in das Behandlungsgeschehen und der Erfassung, Beurteilung und Darstellung medizinischer Vorgänge nicht durch medizinische Aufklärung aufgehoben oder wenigstens gemindert ist (Anschluss an OLG Oldenburg NJW-RR 1999, 1153).
4. Eine solche medizinische Aufklärung ist bei einer klagenden Krankenkasse vorhanden, die den gesamten Sachverhalt einschließlich der Krankenunterlagen durch ihren medizinischen Dienst mehrfach - vorgerichtlich und erstinstanzlich begleitend - gutachterlich ausgewertet hat. Ein auf identischer Erkenntnisgrundlage im Berufungsverfahren erstmalig erhobener Vorwurf eines weiteren Behandlungsfehlers ist präkludiert.
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Aktenzeichen 4 O 1286/05) |
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus übergegangenem Recht Ersatz der Mehrkosten, die durch eine vermeintlich fehlerhafte Behandlung der bei der Klägerin versicherten und inzwischen verstorbenen Frau G. entstanden sind.
Die damals 77-järhige Versicherte hatte sich seit dem 15.8.2001 in einem Pflegeheim aufgehalten. Sie litt unter einer Verschlechterung ihres Allgemeinzustands (schwere Morbus Parkinson, Pneumonie, Herzinsuffizienz mit Lungenstauung, Harnwegsinfektion) und war mit einer Ernährungssonde und einem Blasenkatheter versehen. Am 1.5.2002 wurde sie bei der Beklagten aufgenommen. Grund dafür waren zwei Druckgeschwüre am Steiß und im Bereich des Oberschenkelrollhügels (Trochanter). Die stationäre Behandlung bei der Beklagten verlief - nach zwischenzeitlichen Rückschlägen - letztlich erfolgreich, so dass die Versicherte mit nur noch kleineren und bereits reizlos granulierten Defekten am 5.8.2002 wieder in ihr Seniorenstift entlassen werden konnte.
Die Klägerin hat die ärztliche und pflegerische Behandlung durch die Beklagte für unzureichend erachtet. Sie hat die Auffassung vertreten, bei ausreichender Versorgung hätte ihre Versicherte bereits nach einer Woche wieder entlassen werden können. Den Kostenmehraufwand hat sie mit der Klage geltend gemacht, die das LG nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Vernehmung von Zeugen abgewiesen. Ihre dagegen gerichtete Berufung hat die Klägerin aufgrund des nachfolgenden Hinweisbeschlusses zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO vorliegen.
Das angefochtene Urteil (Bl. 329 ff. d.A.) erweist sich auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin in der Berufungsbegründung (Bl. 397 ff. d.A.) als zutreffend.
1. Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum voll beherrschbaren Risiko können aus mehreren, voneinander unabhängigen Gründen der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen.
a) Das Risiko des Auftretens von Druckgeschwüren gehört nicht zu einem Bereich, der von dem Träger eines Pflegeheimes oder eines Krankenhauses und dem dort tätigen Personal tatsächlich voll beherrscht werden kann (OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.6.2004 - 15 U 160/03 = PflR 2005, 62 ff., hier zit. nach juris, Rz. 48).
Aus den in der Berufungsbegründungsschrift angeführten Entscheidungen des BGH ergibt sich nichts anderes. Sie betreffen zum einen das Risiko, das sich aus dem Zusammenwirken mehrerer Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen bei einer Schieloperation ergeben kann (NJW 1999, 1779), sowie das Risiko von Schäden durch unsachgemäße Lagerung auf dem Operationstisch (NJW 1995, 1618; VersR 1984, 386). Diesen wie den weiteren Fällen, in denen der BGH eine Beweislastumkehr annimmt, ist gemeinsam, dass der Patient durch eine konkrete Einzelmaßnahme oder einen per se gefährlichen Zustan...