Leitsatz (amtlich)
1. Das Risiko, während eines stationären Krankenhausaufenthaltes einen Dekubitus zu erleiden, zählt regelmäßig nicht zum sog. vollbeherrschbaren Bereich. Es bleibt daher bei der Beweislast der Patientenseite.
2. Beweiserleichterung wegen eines Dokumentationsmangels können aber nach den Umständen des Einzelfalls in Betracht kommen, wenn die Dokumentation Indizien für ein nachlässiges Verhalten bei der Erkennung und Behandlung von Druckgeschwüren enthalten (hier: verneint).
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 307/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der auf Dienstag, 07.12.2021, 10.30 Uhr bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 30.000,00 EUR festzusetzen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schmerzensgeld, Ersatz materieller Schäden und die Feststellung ihrer Einstandspflicht sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten wegen einer behaupteten fehlerhaften Dekubitusprophylaxe und -behandlung im Hause der Beklagten. Dort wurde die Klägerin in der Nacht vom 21. auf den 22.10.2017 gegen 23.15 Uhr notfallmäßig wegen einer akut exazerbierten chronisch obstruktiven Lungenerkrankung eingeliefert und zunächst auf der Intensivstation behandelt, wo sie unter anderem intubiert und sediert, zwischendurch auch fixiert und anschließend am 08.11.2017 auf die normale Innere Station verlegt wurde. Entlassungstag war der 17.11.2017. Im Entlassungsbericht ist ein Dekubitus am Gesäß mit dem Grad 2 beschrieben. Am 16.11.2017 wurde von diesem Dekubitus eine Bildaufnahme gefertigt.
Bereits eine Woche nach der Entlassung, nämlich am 24.11.2017 wurde sie wegen des verschlimmerten Dekubitus, der nun als Grad 4 eingestuft wurde, notfallmäßig erneut bei der Beklagten wieder aufgenommen, diesbezüglich operativ versorgt und am 05.12.2017 wieder entlassen.
Die Klägerin rügt unzureichende vorbeugende, pflegerische und Behandlungsmaßnahmen und sie behauptet, dass bei der Erstentlassung am 17.11.2017 bereits ein Dekubitus Grad 4 vorgelegen habe. In der Folgezeit habe sie erhebliche Schmerzen und Beeinträchtigungen infolge der Dekubitusbehandlung erleiden müssen. Wegen der Einzelheiten des Behandlungsablaufes und des klägerischen Vorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie Anhörung des Sachverständigen die Klage abgewiesen. Aufgrund der erheblichen Vorerkrankungen der Klägerin habe es sich bei ihrer Lagerung im Rahmen der Behandlung der Lungenkrankheit nicht um ein von Seiten der Klinik voll beherrschbares Risiko gehandelt mit der Folge, dass die Klägerin allgemeinen Regeln folgend beweisbelastet für Behandlungs-/Pflegefehler sei. Der Nachweis unzureichender Pflege und/oder Behandlung sei ihr indessen nicht gelungen. Zur Begründung hat das Landgericht sich auf die Feststellungen des intensivmedizinischen Sachverständigen Prof. Bucher gestützt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel vollumfänglich weiter. Entgegen der Annahme des Landgerichts handele es sich bei der Lagerung um ein von Krankenhauspersonal voll beherrschbares Risiko. Bereits aus diesem Umstand folge eine Beweislastumkehr. Das Landgericht habe aber auch nicht berücksichtigt, dass die Dokumentation der Beklagten über die getroffene Dekubitusprophylaxe und -behandlung mangelhaft sei. Lege man dies zugrunde, seien die ergriffenen Maßnahmen "offensichtlich" nicht ausreichend gewesen. Zu Unrecht habe das Landgericht demgegenüber zugrunde gelegt, dass die Dokumentation vollständig sei. Im Übrigen habe es ihr rechtliches Gehör verletzt und von einer Zeugenvernehmung ihrer Söhne über die Behauptung, die Klägerin sei bei Besuchen sediert und immer auf dem Rücken gebettet gewesen, abgesehen.
Sie beantragt,
Unter Abänderung des am 16.07.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Leipzig, Az.: 08 O 307/19,
1. wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 3.667,22 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten seit 17.11.2017 sowie ein, in das Ermessen des Gerichts gestelltes, Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 20.855,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten seit 17.11.2017 zu zahlen;
2. wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Ansprüche zu ersetzen, soweit diese auf die stationäre Behandlung vom 21.10. - 17.11.2017 bei der Beklagten zurückzuführen sind und soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden;
3. wird die Klägerin von der Forderung der ...