Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Erhöhung der Regelgeldbuße bei vorsätzlichem vorbotswidrigen Benutzen eines elektronischen Gerätes zur Telekommunikation als Fahrzeugführer
Leitsatz (amtlich)
1. Das für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG erforderliche Sicherungsbedürfnis ist regelmäßig auch bei einem unbewussten Abweichen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anzunehmen. Die Annahme, ein Rechtsfehler werde sich nicht wiederholen, hindert die Zulassung nur dann, wenn sie auf konkrete tatsächliche Umstände gestützt ist.
2. Die vorsätzliche Verwirklichung des Tatbestandes gibt bei dem unzulässigen Benutzen eines Gerätes zur Telekommunikation keinen Anlass für eine Erhöhung des Bußgeldes; vielmehr beschreibt § 23 Abs. 1a StVO ein Fehlverhalten, das regelmäßig vorsätzlich begangen wird.
Normenkette
StVG § 24 Abs. 1; StVO § 23 Abs. 1a, § 49 Abs. 1 Nr. 22; OWiG § 80 Abs. 1 Nr. 1; BKatV § 3 Abs. 4a; BKatV Nr. 246.1
Verfahrensgang
AG Seesen (Entscheidung vom 10.05.2021; Aktenzeichen 7a OWi 912 Js 13965/21) |
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Seesen vom 10. Mai 2021 wird zugelassen, soweit es den Rechtsfolgenausspruch betrifft. In diesem Umfang wird die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (Entscheidung des Vorsitzenden als Einzelrichter).
2. Auf die Rechtsbeschwerde wird das genannte Urteil des Amtsgerichts Seesen im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und die Geldbuße auf 100,- € herabgesetzt.
3. Im Übrigen wird der Zulassungsantrag als unbegründet verworfen (Entscheidung des Vorsitzenden als Einzelrichter).
4. Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Jedoch wird die Gebühr um ¼ ermäßigt. Die Landeskasse hat ¼ der dem Betroffenen im Rechtsmittelverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen durch Urteil vom 10. Mai 2021 wegen vorsätzlichen Benutzens eines Gerätes zur Telekommunikation gemäß § 24 StVG i. V. m. §§ 23 Abs. 1 a, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO mit einer Geldbuße von 200, - € belegt. Dabei hat das Gericht § 3 Abs. 4 a BKatVO angewandt, wonach der Regelsatz zu verdoppeln ist, wenn ein Tatbestand des Abschnitts I des Bußgeldkatalogs vorsätzlich verwirklicht wird.
Gegen das in Anwesenheit des Betroffenen ergangene Urteil hat dieser mit Verteidigerschriftsatz vom 11. Mai 2021, der dem Gericht am 12. Mai 2021 über das besondere elektronische Anwaltspostfach übermittelt worden ist, einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Diesen hat er, nachdem das Urteil sowohl dem Betroffenen als auch dessen Verteidiger am 20. Mai 2021 zugestellt worden ist, mit Schriftsatz vom 21. Juni 2021 - über das besondere elektronische Anwaltspostfach eingegangen am selben Tag - mit der Verletzung sachlichen Rechts begründet. Er beantragt, das angefochtene Urteil mit seinen Feststellungen aufzuheben.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt hingegen, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 1 OWiG lägen nicht vor. Zwar sei die Auffassung des Amtsgerichts, wonach ein Fall des § 3 Abs. 4 a BKatVO vorliege, unzutreffend. Das erfordere die Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung jedoch nicht. Denn es sei nicht zu besorgen, dass der Tatrichter seine rechtswidrige Praxis fortsetze, wenn er Kenntnis von der irrtümlichen Anwendung des § 3 Abs. 4 a BKatVO erlange.
II.
Das Urteil ist nach der gebotenen - teilweisen - Zulassung der Rechtsbeschwerde auf die Sachrüge im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Geldbuße auf 100,- € herabzusetzen. Soweit es hingegen den Schuldspruch betrifft, wird der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Folge des § 80 Abs. 4 S. 3 OWiG als unbegründet verworfen, weil insoweit ein Zulassungsgrund im Sinne des § 80 Abs. 1 OWiG fehlt (vgl. zur Zulässigkeit einer Teilverwerfung: OLG Oldenburg, Beschluss vom 26. November 2018, 2 Ss (OWi) 286/18, juris; Hadamitzky in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl., § 80 Rn. 58).
1. Die Rechtsbeschwerde ist im Gegensatz zur Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft (insoweit durch Entscheidung des Vorsitzenden als Einzelrichter) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zuzulassen und dem Bußgeldsenat gemäß § 80a Abs. 3 OWiG in der Besetzung mit 3 Richtern zu übertragen. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Zulassung ist notwendig, weil die Auffassung des Amtsgerichts zur Erhöhung wegen vorsätzlicher Begehung nicht nur gegen die Bußgeldkatalogverordnung, sondern auch gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung verstößt (dazu Nr. 2). Dass dem Amtsgericht dieser Verstoß mutmaßlich verborgen blieb, ändert daran nichts. Das erforderliche Sicherungsbedürfnis ist regelmäßig auch bei einer unbewussten Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anzu...