Entscheidungsstichwort (Thema)
Bußgeldverfahren: Entbehrlichkeit von Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen bei Verhängung eines wegen Vorsatzes und einer tateinheitlich verwirklichten Ordnungswidrigkeit erhöhten Bußgeldes
Leitsatz (amtlich)
Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen sind auch bei Überschreiten des Schwellenwerts von 250,00 Euro nicht allein wegen der Höhe der Geldbuße erforderlich, wenn zwei tateinheitlich verwirklichte Ordnungswidrigkeitstatbestände die Grundlage für die Bußgeldmessung bilden, die verhängte Geldbuße den höheren der für diese Ordnungswidrigkeiten vorgesehenen Regelsätze - im Falle vorsätzlichen Handelns den gemäß § 3 Abs. 4 a BKatV erhöhten - um nicht mehr als 10 Prozent überschreitet und der höhere der beiden Regelsätze um maximal 50 Prozent des niedrigeren Regelsatzes erhöht wurde.
Normenkette
BKatV § 3 Abs. 4a; OWiG § 17 Abs. 3
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG auf Kosten des Betroffenen mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass es unter IV. der Gründe statt "um 15 km/h" tatsächlich "um 32 km/h" und unter V. statt "mit 360 €" tatsächlich "mit 350 €" heißen muss.
Gründe
Das Amtsgericht Herzberg am Harz hat den Betroffenen am 23. Juni 2015 wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften um vorwerfbare 32 Km/h sowie des vorsätzlichen verbotswidrigen Gebrauchs eines Mobiltelefons zu einer Geldbuße von 350,00 Euro verurteilt und gegen ihn zugleich ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt.
Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen hat das Amtsgericht festgestellt:
"Der am ... geborene Betroffene ist verkehrsrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten. Der Auskunft des Fahrzeughalters, der S. Autovermietung nach, ist er beruflich mit der G. Fluggesellschaft mbH, beruflich verbunden, da mit seinem Namen und der Anschrift der Fluggesellschaft der Mietvertrag geschlossen worden war. Insoweit konnte das Gericht von geregelten wirtschaftlichen Verhältnissen ausgehen. Weitere Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen konnten nicht getroffen werden; der Betroffene hat insoweit von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht."
Die am 26. Juni 2015 von einem Vertreter der bevollmächtigten (Bl. 31 d.A.) Verteidigerin eingelegte (Bl. 82 d.A.) und am 28. August 2015 von der Verteidigerin begründete (Bl. 93 d. A.) Rechtsbeschwerde gegen das in Abwesenheit des Betroffenen, aber in Anwesenheit eines unterbevollmächtigten (Bl. 80 d.A.) Rechtsanwalts verkündete (Bl. 76 bis 79 d.A.) und am 28. Juli 2015 der Verteidigerin zugestellte (Bl. 92 d.A.) Urteil des Amtsgerichts Herzberg am Harz vom 23. Juni 2015 (Bl. 84 bis 89 d.A.), mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, ist gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthaft und auch ansonsten zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Die Rechtsbeschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Insbesondere ist die Annahme einer vorsätzlichen Begehungsweise der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht zu beanstanden. Bei einer innerorts erfolgten relativen Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 100 % in einer Tempo-30-Zone ist gegen die Annahme vorsätzlichen Handelns nichts zu erinnern, sofern - wie hier - keine besonderen Umstände vorliegen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 31. Juli 2006 - 2 Ss OWi 401/06, NZV 2007, 263; OLG Braunschweig, Beschluss vom 07. Februar 2011, Ss (OWiZ) 225/10, DAR 2011, 406 und Beschluss vom 13. Mai 2015, 1 Ss (OWiZ) 85/13, juris). Ein Kraftfahrer, der im Straßenverkehr ohne Freisprecheinrichtung telefoniert, nimmt in Kauf, dadurch so abgelenkt zu sein, dass es zu Verkehrsverstößen kommt (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30. Mai 2001 - 333 Ss 38/01 OWi, NZV 2001, 354).
Soweit im Urteil unter IV. der Gründe von einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit "um 15 km/h" und unter V. von "mit 360 €" die Rede ist, handelt es sich angesichts der abweichenden Angaben im Urteilstenor und den bezüglich der Geschwindigkeitsangabe dazu korrespondierenden Feststellungen zu II. der Gründe um offensichtliche Schreibversehen, die das Rechtsbeschwerdegericht selbst berichtigen kann (vgl. Gericke in KK-StPO, 7. Auflage 2013, § 354 Rn. 20).
Die Feststellung, der Betroffene habe während der Fahrt ein Mobiltelefon gebraucht, ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern getroffen worden. Die Beweiswürdigung der Tatrichterin ist in sich schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei; das Lichtbild Bl. 47 d.A. kann aufgrund der prozessordnungsgemäßen Verweisung vom Rechtsbeschwerdegericht in eigener Anschauung gewürdigt werden. Soweit die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang versucht, Zweifel aufzuzeigen, die die Tatrichterin ausweislich der Urteilsgründe nicht gehabt hat, kann sie damit nicht durchdringen.
Auch im Rechtsfolgenausspruch konnte das angefochtene Urteil Bestand haben.
Die Bußgeldbemessung liegt grun...