Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Bestimmtheit der Auflage zur Ableistung gemeinnütziger Arbeit im Bewährungsbeschluss
Leitsatz (redaktionell)
Wird dem Verurteilten im Rahmen eines Bewährungsbeschlusses aufgegeben, 200 Stunden gemeinnützige Arbeit nach Weisung des Bewährungshelfers zu leisten, so kann bei einer Verletzung dieser Auflage die Bewährung nicht widerrufen werden, da die Auflage nicht hinreichend bestimmt ist.
Verfahrensgang
LG Braunschweig (Entscheidung vom 24.11.2005; Aktenzeichen 50 BRs 412/05) |
Gründe
Mit seiner frist- und formgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde wendet sich der Verurteilte gegen den Beschluss, mit dem die Strafvollstreckungskammer die ihm bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Hildesheim vom 11. Mai 2005 (1 Jahr Freiheitsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Führen einer Schusswaffe ohne Erlaubnis) wegen Weisungs- und Auflagenverstoßes widerrufen hat.
Die Beschwerde ist begründet. Denn derzeit besteht kein Widerrufsgrund.
1. Zunächst ist kein Auflagenverstoß festzustellen. Zwar ist der Verurteilte der mit dem Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts Hildesheim vom 11. Mai 2005 getroffenen Anordnung, 200 Stunden gemeinnützige Arbeit nach Weisung des Bewährungshelfers zu leisten, nicht nachgekommen. Indessen stellt diese Anordnung keine wirksame Bewährungsauflage nach § 56 b Abs. 2 Nr. 3 StGB dar. Ein Verstoß gegen sie kann daher auch nicht zu einem Bewährungswiderruf gemäß § 56 f Abs. 1 Nr. 2 StGB führen.
Bewährungsauflagen müssen klar, bestimmt und in ihrer Einhaltung überprüfbar sein. Der Verurteilte muss ihnen unmissverständlich entnehmen können, unter welchen Umständen ihm der Widerruf der Straussetzung zur Bewährung und damit ein einschneidender Eingriff in sein verfassungsrechtlich verbürgtes Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes droht (vgl. KG, Beschluss vom 13. 04. 2005 - 5 Ws 157/05 - bei Juris, insbes. Rn. 8; OLG Frankfurt, NStZ-RR 1997, 2, 3; OLG Hamm, StV 2004, 657 f.; OLG Schleswig, Beschluss vom 15. 03. 1989 - 1 Ws 44/89 - bei Juris; ebenso in Bezug auf Weisungen: BVerfG, Beschluss vom 09. 06. 1993 - 2 BvR 368/92 - bei Juris, insbes. Rn. 8; vgl. ferner Schönke/Schröder - Stree, StGB, 26. Aufl., § 56 b Rn. 34). Allein dem Richter hat der Gesetzgeber deshalb die Befugnis vorbehalten, dem Verurteilten durch die Erteilung von Auflagen (und Weisungen) besondere Pflichten aufzuerlegen und diese inhaltlich auszugestalten. Demgegenüber hat er eine - und sei es auch nur ergänzende - Anordnungs- und Ausgestaltungskompetenz des Bewährungshelfers in § 56 d Abs. 3 und 4 StGB nicht vorgesehen (vgl. BVerfG, aaO.; KG, aaO., insbes. Rn. 9; OLG Frankfurt, aaO.; OLG Hamm, aaO.; OLG Schleswig, Beschluss vom 20. 05. 1985 - 1 Ws 270/85 - bei Juris; Schönke/Schröder - Stree, aaO.; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 56 b Rn. 8). Eine solche eigene Kompetenz des Bewährungshelfers kommt übrigens auch deshalb nicht in Betracht, weil Bewährungsauflagen als strafähnliche Maßnahmen (Lackner/Kühl, StGB, 25. Aufl., § 56 b Rn. 1) der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen sollen, § 56 b Abs. 1 Satz 1 StGB, und daher letztlich nur das Gericht sachgerecht beurteilen kann, ob sie in einem sinnvollen Zusammenhang mit dem vom Verurteilten begangenen Unrecht stehen (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 15. 03. 1989 - 1 Ws 44/89 - bei Juris).
Das Gericht darf sich mithin nicht darauf beschränken, den Umfang der abzuleistenden Arbeitsstunden festzulegen und die weitere Konkretisierung der Auflage an den Bewährungshelfer zu delegieren. Vielmehr muss es selbst eindeutig bestimmen, innerhalb welcher Zeit die Arbeitsauflage zu erledigen ist, welcher Art die Arbeitsleistungen zu sein haben und bei welcher konkreten Einsatzstelle sie zu erbringen sind. Nur wenn die Bewährungsauflage derart gerichtlich umschrieben ist, kann ein gegebenenfalls den Widerruf der Strafaussetzung erforderlich machender Auflagenverstoß festgestellt werden. Die Zuwiderhandlung gegen eine - wie hier - erst durch den Bewährungshelfer näher konkretisierte Anordnung kann den Bewährungswiderruf demgegenüber nicht rechtfertigen (vgl. KG, aaO.; OLG Frankfurt, aaO.; OLG Hamm, aaO.; OLG Schleswig, Beschluss vom 15. 03. 1989 - 1 Ws 44/89 - bei Juris; Schönke/Schröder - Stree, aaO.).
Abgesehen davon lässt sich ein Auflagenverstoß vorliegend auch schon deshalb nicht feststellen, weil als Erfüllungsfrist für die Ableistung der Arbeitsauflage mangels anderweitiger Bestimmung die Dauer der Bewährungszeit anzunehmen ist (vgl. KG, aaO., insbes. Rn. 4), die erst am 10. Mai 2009 enden wird.
2. Unter den gegebenen Umständen kann ein Bewährungswiderruf ferner nicht darauf gestützt werden, dass sich der Verurteilte beharrlich der Aufsicht und Leitung seines Bewährungshelfers entzogen und dadurch Anlass zu der Besorgnis gegeben hätte, dass er erneut Straftaten begehen wird, § 56 f Abs. 1 Nr. 2 StGB. Soweit er nämlich - nach Auffassung der Strafvollstreckungskamm...