Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerrufshöchstfrist bei einem nach dem 21. März 2016 abgeschlossenen zinslosen Verbraucherdarlehensvertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Bei unentgeltlichen, nach dem 21. März 2016 geschlossenen Verbraucherdarlehensverträgen wird das Widerrufsrecht nach § 514 Abs. 2 BGB durch die reguläre Widerrufsfrist und die Widerrufshöchstfrist gem. § 356 d Satz 2 BGB begrenzt.
2. Wird der Verbraucher vor oder mit Vertragsschluss über sein Widerrufsrecht belehrt, bemisst sich der Beginn der Widerrufshöchstfrist auch bei fehlerhafter Belehrung nach § 356 d Satz 2 1. Alt. BGB.
3. § 356 d Satz 2 2. Alt. BGB kann nicht dahingehend verstanden werden, dass bei einer unterlassenen oder einer erteilten, aber fehlerhaften Widerrufsbelehrung die Widerrufshöchstfrist stets erst 12 Monate und 14 Tage nach einer nachgeholten und ordnungsgemäßen Belehrung beginnt. Wird die Belehrung ordnungsgemäß nachgeholt, wird das Widerrufsrecht bereits durch die reguläre Widerrufsfrist begrenzt
Normenkette
BGB §§ 355, 356d Sätze 1, 2 Alt. 2, §§ 491, 495, 514 Abs. 2
Tenor
In dem Rechtsstreit ... weist der Senat darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 04. Februar 2021 gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des durch den Kläger erklärten Widerrufs seiner auf den Abschluss eines Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung.
Der Kläger erwarb einen A. A4 Avant 2.0 TDI Attraction zu einem Kaufpreis von 29.490,- Euro und leistete eine Anzahlung von 5.500,- Euro. Zur Finanzierung des restlichen Kaufpreises einschließlich des Beitrages zum Kreditschutzbrief beantragte er - vermittelt durch ein Autohaus - unter dem 26. März 2016 bei der Beklagten ein Darlehen über einen Nettodarlehensbetrag von 25.318,03 Euro zu einem effektiven Jahreszinssatz von 0,00% (Anlage K 1). Die Beklagte nahm den Darlehensantrag an und zahlte die Darlehensvaluta an den Verkäufer aus. Das Eigentum an dem finanzierten Fahrzeug wurde zur Sicherheit auf die Beklagte übertragen.
Der Kläger führte das Darlehen vertragsgemäß zurück. Noch vor der vollständigen Rückzahlung erklärte er mit E-Mail vom 16. April 2020 (Anlage K2) den Widerruf bezüglich des Darlehensvertrags. Die weiteren Raten einschließlich der Schlussrate zahlte er unter Vorbehalt an die Beklagte. Die Beklagte akzeptierte den Widerruf nicht.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung der von ihm an die Beklagte gezahlten Tilgungsraten nach Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet und die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten.
Nachdem sich das Landgericht Traunstein mit Beschluss vom 20. August 2020 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das Landgericht Braunschweig verwiesen hatte, hat das Landgericht Braunschweig die Klage mit Urteil vom 04. Februar 2021 abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Klagepartei kein gesetzliches Widerrufsrecht zugestanden habe.
Ein Widerrufsrecht habe sich nicht aus §§ 495, 355 BGB ergeben, weil es sich um einen unentgeltlichen Darlehensvertrag gehandelt habe.
Die Bindung der Klagepartei an ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung sei nicht durch den Widerruf mit E-Mail vom 16. April 2020 entfallen. Zu diesem Zeitpunkt habe ihr kein Widerrufsrecht mehr zugestanden. Es könne offenbleiben, ob die Beklagte die Klagepartei ordnungsgemäß über ein Widerrufsrecht informiert habe, den dieses sei gemäß § 356 d Satz 2 BGB zum Zeitpunkt des Widerrufs bereits erloschen gewesen. Das Widerrufsrecht könne auch vor ordnungsgemäßer Erteilung einer Widerrufsbelehrung erlöschen. Es habe dem gesetzgeberischen Willen entsprochen, dem Entstehen ewiger Widerrufsrechte bei unentgeltlichen Darlehensverträgen vorzubeugen. Insoweit habe der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Falle einer fehlenden Widerrufsbelehrung die Widerrufshöchstfrist mit dem Vertragsschluss zu laufen beginne. Der Auffassung des Klägers, wonach dieser Zeitpunkt in Fällen einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung nicht maßgeblich sei, könne nicht gefolgt werden. Eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung stehe einer unterbliebenen Belehrung gleich. Die Regelung des § 356 d BGB sei mithin so zu verstehen, dass ein Widerrufsrecht sowohl bei unterbliebener als auch bei fehlerhafter Unterrichtung spätestens 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss erlösche. Europarechtliche Vorgaben stünden dem nicht entgegen.
Der Darlehensvertrag sei am 26.03.2016 geschlossen worden. Eine gesonderte Unterrichtung über das Widerrufsrecht nach Vertragsschluss sei weder vorgetragen worden noch in sonstiger Weise ersichtlich. Der Widerruf sei erst am 16.04.2020 und damit lange nach dem Erlöschen des Widerrufsrechts erklärt worden.
Unabhängig davon sei für den Beginn der Widerru...