Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufungsbeschränkung. Gewerbsmäßigkeit. Teilrechtskraft. Ausschluss der Einziehung des Wertersatzes. Erlöschen von Ansprüchen. Hinterlegung. Bagatellbetrug. geringwertig. Geringwertigkeit. geringfügig. Geringfügigkeit. Zu den Folgen einer Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch

 

Leitsatz (amtlich)

Tatsachen, die sich auf die gewerbsmäßige Begehung als Regelbeispiel i. S. d. § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Var. 1 StGB beziehen, betreffen allein den Rechtsfolgenausspruch; im Falle einer wirksamen Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch muss das Berufungsgericht daher Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit treffen.

 

Normenkette

StGB § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Alt. 1, § 73 e Abs. 1 S. 1; StPO § 318

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Entscheidung vom 27.10.2023; Aktenzeichen 15 NBs 306 Js 52820/22 (219/23))

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 27. Oktober 2023 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Braunschweig zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 13. Juni 2023 wegen Betruges in 6 Fällen mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten belegt worden. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts bot der Angeklagte in der Zeit vom 9. Juni 2022 bis zum 3. Juli 2022 bei eBay mehrere Waren (Diaprojektor, Fleecejacke etc.) zum Kauf an. Obgleich er über diese Gegenstände nicht verfügt habe und von Anfang an nicht geplant habe, den Käufern das Eigentum an den Waren zu verschaffen, habe er sich jeweils den Preis für die angebotenen Waren auf sein Konto überweisen lassen. Bei allen Taten habe er in der Absicht gehandelt, sich eine Einnahmequelle von gewisser Dauer zu verschaffen und hiervon seine Spielsucht zu finanzieren. Aus den vom Amtsgericht im Einzelnen in den Urteilsgründe dargestellten Taten errechnet sich ein den Käufern entstandener Gesamtschaden von 315,95 €, der sich aus Einzelbeträgen von 40,95 € (Tat Nr. 1), 38,- € (Tat Nr. 2), 35,- € (Tat Nr. 3), 35,- € (Tat Nr. 4), 135,- € (Tat Nr. 5) und 32,- € (Tat Nr. 6) errechnet.

Das Landgericht Braunschweig hat die Berufung des Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil vom 27. Oktober 2023 verworfen. Zuvor hatte der Angeklagte das Rechtsmittel in der Berufungshauptverhandlung vom selben Tag mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

In den Gründen des angefochtenen Urteils hat die Strafkammer ausgeführt:

"Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Straffolgenausspruch ist der Schuldspruch wegen Betruges in einem besonders schweren Fall in 6 Fällen gemäß § 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 53 StGB in Rechtskraft erwachsen."

Danach ist die Kammer im Rahmen der konkreten Strafzumessung von dem durch § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB vorgegeben Strafrahmen ausgegangen. Im Rahmen der Strafzumessung hat sie neben dem vollumfänglichen Geständnis und den geringen Schadensbeträgen den Umstand, dass der Angeklagte einen Betrag von 320,- € zur Schadenswiedergutmachung mitgebracht und an seinen Verteidiger zur Einzahlung bei der Zahlstelle des Amtsgerichts übergeben hat, strafmildernd berücksichtigt. Die Übergabe dieses Betrages sei "am Rande der erstinstanzlichen Hauptverhandlung" erfolgt.

Der Angeklagte hat gegen das Urteil durch - über das besondere elektronische Anwaltspostfach versandten und am 3. November 2023 beim Landgericht eingegangenen - Schriftsatz seines Verteidigers Revision eingelegt und diese nach Zustellung des Urteils am 9. November 2023 mit einem weiterem - ebenfalls über das besondere elektronische Anwaltspostfach versandten - Verteidigerschriftsatz am 6. Dezember 2023 (Eingang bei Gericht) mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet. Er hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer zurückzuüberweisen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 27. Oktober 2023 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Revision ist gemäß § 333 StPO statthaft und auch ansonsten zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sie hat zudem mit der Sachrüge - zumindest vorläufig - Erfolg. Das angefochtene Urteil, das wegen der wirksamen Berufungsbeschränkung und der dadurch eingetretenen Rechtskraft des Schuldspruchs nur hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches zu überprüfen war, ist aufzuheben, weil der Kammer sowohl beim Straf- als auch beim Einziehungsausspruch ein Fehler unterlaufen ist.

1.

Der Strafausspruch weist einen durchgreifenden Fehler auf, weil die Kammer in der Annahme einer Bindungswirkung des erstinstanzlichen Urteils keine eigenen Feststellungen zu den Voraussetzungen gewerbsmäßigen Handelns getroffen hat. Solche Fes...

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