Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrug. Gewerbsmäßigkeit. Berufungsbeschränkung. eigene Feststellungen des Berufungsgerichts zur Gewerbsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Bei § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB handelt es sich um keinen selbstständigen Straftatbestand, sondern um eine gesetzliche Strafzumessungsregel. Ist die Gewerbsmäßigkeit der Tat als Regelbeispiel für einen Straferschwerungsgrund ausgestaltet, so ist sie allein für die Strafzumessung relevant. Im Falle einer Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch oder Strafausspruch muss das Berufungsgericht daher selbständig eigene Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit treffen.
Normenkette
StGB § 263 Abs. 3 Nr. 1; StPO § 318
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Entscheidung vom 14.12.2023; Aktenzeichen 14 NBs 106/23) |
Tenor
Das angefochtene Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 14.12.2023 wird im Strafausspruch mit den insoweit zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Herford hat den Angeklagten mit Urteil vom 18.08.2023 wegen "gewerbsmäßigen Betruges" in 56 Fällen und wegen "gewerbsmäßigen Computerbetruges" in 3 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine frist- und formgerecht eingelegte Berufung hat der Angeklagte später auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
Das Landgericht Bielefeld hat daraufhin mit dem hier angefochtenen Urteil die Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass in der Urteilsformel vor "Betruges" und vor "Computerbetruges" jeweils der Zusatz "gewerbsmäßigen" entfällt.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere die aus seiner Sicht zu hohe Strafe sowie eine unzureichende Binnendifferenzierung hinsichtlich der einzelnen Strafhöhen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat in ihrer Stellungnahme vom 06.03.2024 beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision hat in der Sache teilweise Erfolg und führt auf die Sachrüge hin in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang gemäß §§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO zur teilweisen Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld. Der Strafausspruch hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Das Landgericht hat seiner Zumessung "für jede der Taten" (UA 8) den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt, ohne eigene Feststellungen zur Frage der angenommenen Gewerbsmäßigkeit (§ 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB) getroffen zu haben.
Von eigenen Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung war die Strafkammer trotz wirksamer Teilrücknahme der Berufung nicht befreit. Eine innerprozessuale Bindung an die entsprechenden Feststellungen des Amtsgerichts bestand nicht. Umfasst von der Bindungswirkung der mit einer wirksamen Berufungsbeschränkung eintretenden horizontalen Teilrechtskraft sind in erster Linie die Tatsachen, in denen Tatbestandsmerkmale zu finden sind, darüber hinaus die weitergehenden Feststellungen zum Tatgeschehen im Sinne des geschichtlichen Vorgangs und die Tatsachen, aus denen der Beweis abgeleitet wird (Senat, Beschluss vom 20.01.2020, III-3 RVs 59/19 - juris).
Bei § 263 Abs. 3 StGB handelt es sich um keinen selbstständigen Straftatbestand, sondern um eine gesetzliche Strafzumessungsregel (Fischer, StGB, 71. Auflage 2024, § 263, Rn. 209). Ist die Gewerbsmäßigkeit der Tat als Regelbeispiel für einen Straferschwerungsgrund ausgestaltet, so ist sie allein für die Strafzumessung relevant. Es handelt sich weder um einen Umstand, der den Schuldspruch trägt, noch - zumindest im vorliegenden Fall - um einen doppelrelevanten Umstand, der Schuld- und Strafausspruch gleichermaßen berührt. Für die Frage, wann Schuldspruch und Strafzumessung so miteinander verknüpft sind, dass ein die Strafbarkeit erhöhender oder mindernder Umstand eine doppelrelevante Tatsache darstellt, kommt es neben der besonderen Lage des Einzelfalls auf die Trennbarkeit von den bindenden Feststellungen an. Ist es möglich, einen Umstand aus den Urteilsgründen herauszulösen und insoweit abweichende Feststellungen zu treffen, ohne die innere Einheit der Urteilsgründe in Frage zu stellen, handelt es sich in der Regel nicht um eine doppelrelevante Tatsache (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 - 1 StR 458/16 - juris Rn. 14 ff. zu § 95 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 lit. b AMG a.F.).
Die Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit sind regelmäßig vom Schuldspruch widerspruchsfrei abtrennbar. Die gewerbsmäßige Begehung hat auf das eigentliche Tatbild, wie es für den Schuldspruch maßgeblich ist, keinen Einfluss und ist für die Tatausführung auch nicht von entscheidender Prägung, so dass die innere Einheit der...