Verfahrensgang

LG Göttingen (Urteil vom 30.06.2022; Aktenzeichen 12 O 52/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 30.06.2022 wird auch in Bezug auf den Berufungsantrag zu Ziff. 1 zurückgewiesen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Streitwert der Berufung: Wertstufe bis 13.000,00 EUR.

 

Gründe

1. Mit Beschluss vom 17.07.2023 (Bl. 274 ff. d.A. hat der Senat die Verhandlung in Bezug auf den Berufungsantrag zu Ziff. 1 bis zur Erledigung des Vorabentscheidungsersuchens des Bundesgerichtshofs gemäß Beschluss vom 29.03.2022 (Az.: VI ZR 1352/20) durch den Gerichtshof der Europäischen Union ausgesetzt. Nachdem der Gerichtshof mit Urteil vom 26.10.2023 über das Vorabentscheidungsersuchen rechtskräftig entschieden hat (Az. C-0307/22), ist die Wirkung der Aussetzung ohne Weiteres entfallen.

2. Die Berufung des Klägers ist auch in dem - nach der Teilzurückweisung mit Beschluss vom 17.07.2023 - noch rechtshängigen Berufungsantrag zu Ziff. 1 durch einstimmiger Beschluss des Senats gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Hinsichtlich der dafür maßgeblichen Erwägungen wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 20.02.2023 (Bl. 204 ff. d.A.) verwiesen (§ 511 Abs. 2 S 3 ZPO). Die Stellungnahme des Klägers führt zu keiner anderen Bewertung.

a) Aus den im Hinweisbeschluss genannten Gründen bietet die Berufung des Klägers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Der gehend gemachte Auskunftsanspruch besteht nicht.

aa) Insbesondere lasst sich der Auskunftsanspruch nicht auf die Bestimmung des § 242 BGB stützen.

(1) Nach § 242 BGB trifft den Schuldner im Rahmen einer Rechtsbeziehung ausnahmsweise eine Auskunftspflicht, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann. Die Zubilligung des Auskunftsanspruchs hat unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 27.09.2023 - IV ZR 177/22, BeckRS 2023, 20057 Rn. 30). Die Feststellung, der Berechtigte befinde sich in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen setzt voraus, dass er tatsächlich nicht mehr über die im Auskunftsantrag bezeichneten Unterlagen verfügt (BGH, Urteil vom 27.09.2023, a.a.O., Rn. 38). Darüber hinaus ist der Versicherungsnehmer nicht schon dann entschuldbar über seine Rechte im Ungewissen, wenn er die Unterlagen über die Beitragsanpassung nicht mehr besitzt. Es bedarf dann vielmehr der Darlegung der Gründe des Verlusts durch den Versicherungsnehmer, welche dem Gericht die Beurteilung ermöglicht, ob dem Versicherungsnehmer unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausnahmsweise ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zusteht (vgl. a. dazu BGH, Urteil vom 27.09.2023, a.a.O., Rn. 40).

(2) Hier fehlt es an beidem. Es lässt sich weder die Feststellung treffen, der Kläger verfüge tatsächlich nicht mehr über die von ihm begehrten Vertrags unterlagen, noch sind Gründe eines etwaigen Verlusts vorgetragen worden, die diesen entschuldbar erscheinen ließen

Der Kläger mutmaßt nur, seine Unterlagen im Zuge eines Umzugs verloren zu haben, ohne die hierfür maßgeblichen Gründe im Einzelnen zu schildern, und ist der Auffassung, das Fehlen der Unterlagen sei entschuldbar. Er meint, es bestehe keine "Verkehrspflicht" für den Versicherungsnehmer einer privaten Krankenversicherung, überholte Nachträge zum Versicherungsschein aufzubewahren; auch entspreche es dem gesunden Menschenverstand, überholte Unterlagen zu entsorgen, um auf diese Weise Ordnung zu schaffen.

(a) Einen tauglichen Beweis für seine streitige Behauptung des Verlusts hat der Kläger jedoch nicht angetreten. Die sogenannte "Verlusterklärung" (Anlage KGR B1) geht über schlichten Parteivortrag nicht hinaus und hat keinen Beweiswert. Soweit sich der Kläger erstmalig mit Schriftsatz vom 04.01.2024 auf seine Vernehmung als Partei beruft, ist dieses in zweiter Instanz neue Angriffsmittel nach 520 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO recht berücksichtigungsfähig. Das Landgericht hat bereits mit Hinweisbeschluss vom 25.04.2022 im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, an der sich auch durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.09.2023 (IV ZR 177/22; a.a.O.) in der Sache nichts geändert hat, darauf hingewiesen, dass es an Vortrag des Klägers zum Vorliegen einer etwaigen Unkenntnis und darüber hinaus zu deren Entschuldbarkeit fehlt. Unabhängig hiervon sind die für eine Parteivernehmung gemäß 447, 448 ZPO nötigen Voraussetzungen aber auch nicht gegeben, weil weder das Einverständnis der Beklagten hiermit vorliegt noch Anhaltspunkte für die im Falle einer Parteivernehmung von Amts wegen nötige gewisse "Anfangswahrscheinlichkeit" bestehen (vgl....

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